Obdachlosigkeit droht: Quartiersuche geht weiter

FLUeCHTLINGE: ZELTBAU IN SCHAeRDING
FLUeCHTLINGE: ZELTBAU IN SCHAeRDINGAPA/DANIEL SCHARINGER
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Bis Jahresende werden in Wien noch hunderte Plätze für Flüchtlinge gebraucht. Zugleich sollen die Zustände in desolaten Transitquartieren nun besser werden.

Eine Weihnachtsfeier? Das ist in vielen Notquartieren für Flüchtlinge kein Thema. Weihnachten, das würde eher erst gefeiert, wenn die Familien länger in Österreich sind, wenn die Kinder die Bräuche rund um das Weihnachtsfest im Kindergarten oder in der Schule kennenlernen und dann von sich aus Weihnachten feiern wollen, heißt es da etwa von der Volkshilfe – und in den Transitquartieren, in denen Asylwerber darauf warten, dass sie in ein besseres Grundversorgungs-Quartier kommen, sei feiern kein Thema. Wo es an allem mangelt, an Platz, an Privatsphäre, an Versorgung, da sei kaum Raum, Feste zu organisieren. Vor allem, wenn diese ohnehin nicht der Religion des Großteils der Flüchtlinge entsprechen, so eine Mitarbeiterin der Volkshilfe.

Geht es um die Unterbringung, gibt es derzeit auch drängendere Probleme. Nämlich, Obdachlosigkeit zu verhindern. Aktuell seien österreichweit 7500 Flüchtlinge in improvisierten Notquartieren, also Hallen oder Zelten, untergebracht, obwohl sie in Grundversorgungsquartieren einen Platz haben sollten, heißt es vom Hilfswerk. Die großen Hilfsorganisationen haben diese Situation vor wenigen Tagen zum Anlass genommen, um Alarm zu schlagen: Die Quartiersituation sei unzumutbar, heißt es von Hilfswerk, Caritas, Rotem Kreuz, Volkshilfe, Diakonie und Samariterbund. Hunderte Menschen, vor allem jene, die noch nicht zum Asylverfahren zugelassen sind, seien von Obdachlosigkeit betroffen.


6000 in Notquartieren. Wie sieht die Lage derzeit in Wien aus? Aktuell, also mit Stand Freitag, 18. Dezember, sind in Wien 18.164 Menschen in Grundversorgung untergebracht, so die jüngste Zahl des Fonds Soziales Wien (FSW). In den 26 Notquartieren der Stadt sind aktuell knapp 6000 Menschen untergebracht. In den vergangenen Wochen wurden zwei neue Quartiere, eines im 15. Bezirk und eines im 18. Bezirk (das ehemalige Publizistik-Institut in der Schopenhauerstraße) mit Platz für rund 400 Menschen eröffnet. Damit sollen vor allem die großen Notquartiere, besonders das Ferry-Dusika-Stadion und die benachbarte Sport- and Fun-Halle in der Leopoldstadt, entlastet werden. Die Zustände dort, etwa, dass Menschen auf dem Boden schlafen, dass sich wegen miserabler hygienischer Bedingungen Krankheiten ausbreiten oder Ausschreitungen unter den Asylwerbern, hatten zuvor für einiges Aufsehen gesorgt.

In den vergangenen zwei Wochen wurde die Belegung des Stadions und der angrenzenden Halle von 800 auf rund 550 Menschen reduziert. Auch in der Unterkunft in der Vorderen Zollamtsstraße mit rund 1000 Menschen im dritten Bezirk wurden die Zustände zuletzt etwas verbessert: Es gibt nun Duschcontainer. Zuvor wurden die Bewohner mit dem Bus zu einer Waschgelegenheit gebracht.

Dass die Massenquartiere etwas entlastet werden konnten, liegt auch an der leichten Entspannung bei den Antragszahlen: In der vergangenen Woche wurden pro Tag rund 20 bis 50 neue Asylanträge in Wien gestellt. Vor Kurzem waren es noch 400 pro Tag. Der FSW arbeite weiter unter Hochdruck an neuen Quartieren, sagt ein Sprecher: In den kommenden Wochen sollen drei weitere Notquartiere mit rund 2000 Plätzen eröffnen. Wo genau diese Unterkünfte geplant sind, darüber will man in der Stadt lieber nicht öffentlich diskutieren. Parallel dazu arbeitet die Stadt an zusätzlichen Grundversorgungseinrichtungen, in denen Asylwerber längerfristig unterkommen können. Seit dem September wurden in Summe 24 solcher Einrichtungen mit Platz für 1500 Menschen geschaffen, den Betrieb haben meist Hilfsorganisationen übernommen.

Diese, in diesem Fall Caritas und Samariterbund, betreuen nun auch die 659 Asylwerber (davon 339 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) in der ehemaligen Zollamtsschule in Erdberg. Die Stadt hat dieses Quartier mit Dezember vom Bund übernommen – und damit hat der frühere Betreiber, das auch in Traiskirchen tätige Unternehmen ORS, den Betrieb an die NGOs übergeben.


Die Minderjährigen ziehen um. Die unbegleiteten Minderjährigen werden seither etappenweise in kleinere, adäquate Unterkünfte mit einer besseren Betreuung übersiedeln. Bis Weihnachten sollen mehr als 200 Jugendliche in ein neues Quartier ziehen, heißt es vom FSW. Zusätzlich zu den Quartieren der Stadt hat Wiens Flüchtlingskoordinator Peter Hacker kürzlich angekündigt, dass auch Private verstärkt um Hilfe bei der Suche nach Herbergen gebeten werden sollen. Zuletzt hatte die Bereitschaft Privater, Asylwerber bei sich aufzunehmen, eher abgenommen, klagen die Hilfsorganisationen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2015)

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