Anklage führte Enthauptungsvideos aus dem Archiv des Angeklagten vor. Der will sie für Sprachschulung genutzt haben.
Graz. Am Donnerstag ist in Graz der Prozess gegen einen mutmaßlichen Jihadisten fortgesetzt worden. Dem 49-jährigen Bosnier wird vorgeworfen, dass er der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angehört hat und weitere Mitglieder rekrutieren wollte. Der Angeklagte gab sich gelassen und wirkte mitunter sogar heiter – bis ihm der Staatsanwalt zeigte, dass er sich im Koran mindestens so gut auskennt wie der Beschuldigte.
Das brachte den Bosnier zeitweise aus der Fassung, trotzdem beteuerte er, nie IS-Mitglied gewesen zu sein und auch niemanden rekrutiert zu haben. „Aus ihrem Umfeld sind seit 2013 acht Personen nach Syrien gegangen“, warf ihm der Ankläger vor. Einer von ihnen ist sogar in einem Propagandavideo zu sehen. Im Film steht er in einer Reihe von Kämpfern und ist in Großaufnahme klar zu identifizieren. „Warum steht er bei der Kampftruppe?“, wollte der Richter wissen. „Was kann ich dafür?“, antwortete der Befragte. Doch der Vorsitzende gab sich damit nicht zufrieden und hakte nach. „Wie stehen Sie zu einer Ausreise nach Syrien?“ Fikret B.s Antwort: „Wer gehen will, soll gehen.“
Bei einer Hausdurchsuchung waren beim Angeklagten zahlreiche DVDs und Videos sichergestellt worden. Er gab an, er habe mit diesem Material lediglich Arabisch lernen wollen. Teilweise zeigen die Streifen aber nur blutige Hinrichtungen mit Gesängen oder Musik im Hintergrund, gesprochen wird gar nicht. „Aus diesen Videos können Sie kein Arabisch lernen, da sind wir uns einig“, meinte der Richter.
Gedächtnislücken
Vorgeführt wurde dann auch ein Film, der zeigt, wie IS-Anhänger in einer Reihe stehen und gefangenen Soldaten mit Messern die Köpfe abtrennen. „Für mich ist das der Inbegriff der politischen Pornografie“, kommentierte der Staatsanwalt das blutige Schauspiel. „Haben Sie den Film gesehen?“, wollte der Richter vom Angeklagten wissen. „Das weiß ich nicht“, antwortete der Bosnier. „Das heißt, Sie schauen dauernd solche Filme?“, schloss der Richter aus dieser Antwort.
Der Prozess soll planmäßig am 1. März fortgesetzt werden. Es sind zahlreiche Zeugen geladen, ein Urteil wird frühestens für 3. März erwartet.
Heute, Freitag, stehen acht weitere Beschuldigte in Graz vor Gericht, auch sie sind wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung angeklagt. Unter den Angeklagten befinden sich auch mehrere Frauen. Sie sollen vorgehabt haben, sich als Ehefrauen für Kämpfer des IS anzubieten. (APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2016)