Arbeitszeitgesetz: Bilanz der Ärzte vernichtend

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Das Ergebnis der Befragung von Wiener Spitalsärzten zu den Auswirkungen des neuen Arbeitszeitgesetzes fällt katastrophal aus. Nur ein Prozent der Mediziner erkennt eine Verbesserung der Situation für die Patienten.

Wien. 87 Prozent der Wiener Spitalsärzte sind der Meinung, dass sich seit Inkrafttreten des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes Anfang 2015 die Versorgung der Patienten verschlechtert hat – innerhalb der Belegschaft der Gemeindespitäler (also des Krankenanstaltenverbunds, KAV) sind es sogar 90 Prozent. 74 Prozent nehmen eine Verschärfung der Zweiklassenmedizin wahr, in KAV-Spitälern sind es 77 Prozent. Der administrative Aufwand in den Abteilungen ist nach Meinung von 65 Prozent der Mediziner mehr geworden. 82 Prozent beobachten längere Wartezeiten auf Operationen, 79 Prozent in den Ambulanzen (siehe auch Grafik rechts).
Das ist das vernichtende Ergebnis einer anonymen Onlinebefragung der Ärzte zu den Auswirkungen des Arbeitszeitgesetzes. Angeschrieben wurden durch die Wiener Ärztekammer 7385 Spitalsärzte, 2090 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen, das entspricht 28,3 Prozent. 73 Prozent davon sind Angestellte des KAV, das macht mehr als 40 Prozent aller dort beschäftigten Mediziner aus. Laut Nadja Rappold vom PR-Unternehmen Brunswick, die die Umfrage durchgeführt hat, sind die Ergebnisse „repräsentativ und höchst aussagekräftig“. Im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse.

1. 74 Prozent der Ärzte sehen eine Verschärfung des Problems der Zweiklassenmedizin.

82 Prozent der befragten Ärzte beobachten längere Wartezeiten auf Operationen, 79 Prozent in den Ambulanzen. In Spitälern des KAV sind es sogar 86 bzw. 80 Prozent. Kein einziger Mediziner hat angegeben, dass sich die Wartezeiten nach Einführung des neuen Arbeitszeitgesetzes verkürzt haben. „Die Patienten leiden eindeutig am meisten“, sagt Kammerpräsident Thomas Szekeres. „Die Tatsache, dass sich die Wartezeiten sowohl bei den Operationen als auch in den Ambulanzen verlängert haben, ist auf einen eklatanten Personalmangel zurückzuführen.“ Er fordert daher vom KAV die „rasche Aufstockung des ärztlichen Personals“.

2. 32 Prozent der Ärzte machen unbezahlte Überstunden.

Das neue Arbeitszeitgesetz für Spitalsärzte sieht unter anderem eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit von 60 auf 48 Stunden vor. Fast ein Drittel gab an, ihr Pensum in dieser Zeit nicht erfüllen zu können und unbezahlte Überstunden zu machen. 20 Prozent von ihnen in „hohem Ausmaß“ und zwölf Prozent in „sehr hohem Ausmaß“. Szekeres: „Das sind Hunderte Kollegen, die unbezahlt arbeiten müssen, weil sie mit ihrer Arbeit nicht fertig werden (können).“ Dadurch habe sich auch bei 36 Prozent der Befragten die Work-Life-Balance verschlechtert, hier vor allem bei den älteren Ärzten. Nur 44 Prozent der befragten Ärzte können sich im Übrigen die Inanspruchnahme der Opt-out-Regel vorstellen. Das ist die Möglichkeit einer Betriebsvereinbarung, die längere Arbeitszeiten zulässt – vorausgesetzt, die betroffenen Ärzte stimmen zu.

3. 74 Prozent sind der Meinung, dass sich die Ausbildungssituation verschlechtert hat.

Der administrative Aufwand ist für 65 Prozent der Ärzte mehr geworden, für 81 Prozent der generelle Arbeitsaufwand. 49 Prozent der Befragten haben angegeben, dass ihre Tagespräsenz weniger geworden ist, im KAV sind es 54 Prozent. „Wenn die Kollegen durch unnötige Bürokratie zwangsbeschäftigt werden, kann keine Zeit mehr für Patienten übrig bleiben“, sagt Szekeres. „Es ist daher nicht verwunderlich, wenn bei einem größeren Andrang Ambulanzen überfüllt sind.“ Das wirke sich auch auf die Ausbildungssituation der Ärzte aus. 43 Prozent der Ärzte sehen zudem das Arbeitspaket 7 nur „zu einem kleineren Teil“ oder „gar nicht“ umgesetzt. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung, die sicherstellen soll, dass vor allem Turnusärzte von pflegerischen Tätigkeiten entlastet werden und das Pflegepersonal mehr Tätigkeiten am Patienten ausübt. „Zugesagte Reformen wurden nicht umgesetzt“, beklagt Szekeres. „Der administrative Aufwand für Ärzte muss geringer werden.“

4. 60 Prozent sehen die angekündigten zentralen Notaufnahmen nicht umgesetzt.

Die mit der Stadt vereinbarten zentralen Notaufnahmen sollen Patienten über Nacht aufnehmen, um die Belegschaft in den Stationen zu entlasten. Erst dann soll entschieden werden, ob sie aufgenommen werden und wenn ja, in welchen Stationen. „Diese Versäumnisse der Stadt und des KAV sind ein Schlag ins Gesicht der Kollegen, die letztes Jahr für diese Änderungen so hart gekämpft haben“, sagt Szekeres. Und fordert „die sofortige Umsetzung der zentralen Notaufnahmen“.

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