Gleichbehandlung: Männer beschweren sich öfter

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Kein „Ladybonus“ im Stadion, aber dafür bei den ÖBB: die Bilanz nach einem Jahr Unisextarife. Die Beschwerden betreffen „Ladytarife“ in Casinos und Lokalen, jedoch auch Frauenparkplätze.

Wien. Erinnern Sie sich noch an die Schlagzeilen? „Männer kommen nicht mehr billiger davon.“ Oder: „Frauen zahlen nicht länger drauf.“ So titelte man vor einem knappen Jahr, als – auf Basis einer EU-Richtlinie – im Gleichbehandlungsgesetz verankert wurde, dass Preise für Güter und Dienstleistungen nicht mehr nach dem Geschlecht differenziert sein dürfen.

Allein, die Realität sieht anders aus: Von 206 Personen, die sich zwischen 1.8.2008 und 31.5. 2009 zum Thema bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Wien meldeten, waren 108 Männer. „Und rechnet man ein, dass viele der 98 Frauen für ihre Männer anriefen, dann ergibt sich, dass zirka zwei Drittel aller Beschwerden von Männern stammen“, sagt Leiterin Ingrid Nikolay-Leitner.

Die Beschwerden betreffen „Ladytarife“ in Casinos und Lokalen, jedoch auch Frauenparkplätze. Warum aber regen sich Männer öfter als Frauen auf, die z.B. beim Frisör manchmal ungerechtfertigt mehr bezahlen? Erstens, sagt Nikolay-Leitner, weil Männer prinzipiell mehr auf ihre Rechte schauen und zweitens sei Diskriminierung von Frauen z. B. bei Versicherungen oft schwieriger aufzudecken: „Da muss der Konsument erst mal an die Vergleichsdaten kommen.“ Eventuell gibt es aber noch einen dritten Grund: Der Frauenbonus ist bei Unternehmen aus wirtschaftlichen Überlegungen populär, die freilich nicht immer die nobelsten sind. So hat die Gleichbehandlungskommission (sie ist im Unterschied zur beratenden Anwaltschaft unparteiisch) im Gutachten zum „Disco-Fall“ festgehalten, dass man nicht nur eintrittzahlende Männern diskriminiert, wenn Frauen gratis ins Lokal dürfen, sondern auch Frauen – sie würden so als „Lockvögel“ missbraucht.

Andere Motive hinter dem „Ladybonus“ sind freundlicher: Mit bis zu 50 Prozent billigeren Damentickets wollte der Österreichische Fußballbund mehr Familien ins Stadion bringen. Mit dem Ländermatch am 12. 8. wird die Vergünstigung nach Ermahnung der Gleichbehandlungsanwaltschaft „schweren Herzens“, wie es heißt, gestrichen. Freiwillig. Eine Klage eines Betroffenen gegen den ÖFB bei Gericht gab es nämlich (noch) nicht. Ohne eine solche aber kann eine wahrscheinlich diskriminierende Praxis bestehen bleiben. Ein prominentes und finanziell ernsteres Beispiel ist die Seniorenvergünstigung der Verkehrsbetriebe. In einem nicht fallbezogenen Gutachten stellte die Gleichbehandlungskommission fest, dass eine Ermäßigung nicht abstrakt an das unterschiedliche Pensionsalter (60/65) anknüpfen darf. Die indirekt angesprochenen ÖBB sehen aber keinen Grund, etwas an der Vorteilscard Senior zu ändern: Es handle sich um eine erlaubte soziale Vergünstigung, da Frauen weniger verdienen. Die Kommission weist die Begründung zurück. „Man müsste auf den konkreten Pensionseintritt abstellen“, so Vorsitzende Doris Kohl. Müsste.

Hauptproblem: ungerechter Lohn

Unisextarif hin, Gratisdisco her: Man dürfe, sagt Nikolay-Leitner, bei der Diskussion nie die Relation aus den Augen verlieren. Der Schwerpunkt der Anwaltschaft punkto Ungleichbehandlung von Männer und Frauen liegt nach wie vor im Bereich Arbeitsleben (ungleiche Bezahlung) und sexuelle Belästigung. Zum Thema Arbeit beschweren sich fast nur Frauen, etwa 200 pro Jahr. „Im Vergleich zum realen Ausmaß“, so Nikolay-Leitner, „leider noch eine zu kleine Anzahl.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2009)

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