Größte Gelsenplage seit sieben Jahren

(c) APA (Peter Fšrster)
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Zoologen registrieren die größte Gelsenplage seit dem Jahrhunderthochwasser 2002. Der Großteil des Gelsenproblems in Österreich ist hausgemacht: "Es gibt ökologische Mängel im Hochwasserschutz."

WIEN (stu). Die Situation war dramatisch. Die staatliche Naturschutzbehörde beschloss sogar den Einsatz von Chemikalien auch in Naturschutzgebieten (!), nachdem die Situation eskaliert war: Durch die heftigen Regenfälle war die Zahl der Gelsen explosionsartig angestiegen, das Leben für Bewohner und Touristen unerträglich geworden.

Diese Meldung aus Schweden hätte in Österreich kaum Beachtung gefunden – wären nicht zahlreiche Gebietes des Landes nach den heftigen Regenfällen der vergangenen Woche ebenfalls unter Wasser gestanden. „Es ist außer Kontrolle geraten“, beschreibt Gelsenforscher Bernhard Seidel vom Zoologischen Institut der Universität Wien die Situation (vor allem) in Teilen Niederösterreich, entlang der hochwasserführenden Flüsse bei Klosterneuburg bis Hainburg, in der Mitterndorfer Senke, entlang des Leithagebirges: „Es gibt große Probleme.“ Speziell betroffen seien Niederösterreich und Burgenland – obwohl die jetzige Gelseninvasion grundsätzlich ein österreichweites Problem sei.

Seidel, der im Auftrag der niederösterreichischen Landesregierung an Präventionsmaßnahmen gegen regelmäßig auftretenden Gelsenplagen forscht, vergleicht die Situation mit dem Jahrhunderthochwasser des Jahres 2002. Damals entstanden zahlreiche Tümpel nahe den Flüssen, in denen sich die Stechmücken stark vermehren konnten. Mit den schweren Regenfällen der vergangenen Woche, welche die größten Überschwemmungen seit dem Jahr 2002 ausgelöst haben, hat sich nun auch die größte Gelsenplage seit sieben Jahren eingestellt.

Hilft nur noch flächendeckend die chemische Keule? „Nein“, meint Seidel: „Das wäre, als würde man mit Kanonen auf Gelsen schießen.“ Die Alternative? Sogenannte Larvizide, mit denen die Larven im Wasser abgetötet werden – ohne Einsatz von Sprühflugzeugen: „Diese Mittel sind sehr effektiv und stehen preislich in einer angenehmen Korrelation zur Wirkung.“ Zusätzlich gebe es Versuche, die Gelsen mittels Lockstoffe dazu zu bringen, ihre Eier in bestimmten, leicht erreichbaren Gebieten abzulegen. Dort könnten diese dann gezielt beseitigt werden.

Nur: Heuer konnten Larvizide nicht effektiv eingesetzt werden. Das erste Hochwasser hat viele Gebiete abgeschnitten, bevor Larvizide eingesetzt werden konnten. Dann kam das zweite Hochwasser und verschlimmerte die Situation.

Trotzdem: Die größten Probleme verursacht nicht das Hochwasser, erklärt Seidel: „Es gibt ökologische Mängel im Hochwasserschutz. Zum Teil wurden unbeabsichtigt richtige Gelsenbrutplätze angelegt, wie sie in der Natur nicht zu finden sind.“

Die Art der Kraftwerksbecken und Staubecken in Niederösterreich würde ideale Bedingung für die Gelsen schaffen. „Dabei könnte man daraus eine (biologische, Anm.) Gelsenfalle machen“, erklärt der Experte. Man müsse nur die Wassermassen auf die Brutzeit abstimmen. Das Becken müsste zuerst Wasser enthalten, damit die Gelsenweibchen dort ihre Eier ablegen könnten. Kurz vor Ende der Brutzeit müssten dann die Schleusen geöffnet und die Larven damit weggespült werden.

Das Problem derzeit: Die Staubecken lassen das Wasser kontinuierlich ab, weshalb das Wasser nur langsam über die Wehre rinnt. Damit bleiben die Larven im Becken, wo sie ein ideales Lebensumfeld vorfinden. Der einzige Trost: Die Lebensdauer der Hochwassergelsen ist gering. Seidel: „In etwa zehn Tagen sollte alles vorbei sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2009)

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