Tirol plant zweite Medizinuniversität

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Wegen des anhaltenden Fehlens praktischer Ärzte sollen an der Privatuniversität pro Jahr 100 Mediziner ausgebildet werden, die sich verpflichten, einige Jahre in Tirol zu bleiben.

Wien. Geboren wurde die Idee bereits 2010, jetzt nehmen die Pläne eines zweiten Medizinstudiums in Tirol, der sogenannten Medical School, konkrete Formen an. Im Jänner fasste die schwarz-grüne Landesregierung einen Grundsatzbeschluss zur rechtlichen Prüfung und Konzepterstellung, bis spätestens September soll es eine Entscheidung über die Akkreditierung der Privatuniversität geben.

Der Grund für dieses Vorhaben ist der anhaltende eklatante Mangel an praktischen Ärzten in Tirol – vor allem im ländlichen Raum. So waren bis vor wenigen Tagen acht Stellen für Allgemeinmedizin zur Nachbesetzung ausgeschrieben – in Brixen im Thale, Innsbruck-Igls, Lienz, Schwaz, Umhausen, Völs und Wildschönau (mit zwei Stellen). Einige davon sind schon seit Langem unbesetzt, in der Wildschönau etwa seit 1. April 2015. Auch die Stellen in Brixen, Lienz, Schwaz und Umhausen wurden bereits mehrfach ohne Erfolg ausgeschrieben. Auch diesmal können voraussichtlich nur zwei Stellen besetzt werden.

Sämtliche Versuche des Landes, den Bund von 100 zusätzlichen Studienplätzen an der Medizinischen Universität Innsbruck zu überzeugen, sind gescheitert. Auch finanzielle Anreize und bessere Arbeitsbedingungen für Hausärzte konnten das Problem nicht lösen. Insbesondere bei Frauen ist der Beruf einer praktischen Ärztin auf dem Land, die de facto rund um die Uhr erreichbar sein muss, extrem unattraktiv – während es beispielsweise auf Ausschreibungen von Amtsärzten in Teilzeit Dutzende Bewerberinnen gibt.

Kooperation mit Med-Uni

Ursprünglich war die Medical School als länderübergreifende Ärzteausbildung zwischen Tirol, Südtirol und dem Trentino angedacht. Auch Vorarlberg sollte mit ins Boot geholt werden, schließlich gibt es auch dort einen ähnlichen Hausärztemangel. Nachdem aber all diese Länder absprangen, will Tirol das Projekt nun allein verwirklichen – und bezahlen. Nicht als Konkurrenz zur bestehenden Medizinuniversität in Innsbruck, sondern als Ergänzung, wie betont wird. Und zwar in enger Zusammenarbeit mit der Med-Uni, der Leopold-Franzens-Universität (die etwa die Ausbildung in biologischen Fächern übernehmen könnte) und der UMIT, der privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik in Hall. Langfristig werde auch eine Zusammenarbeit mit Südtirol und Vorarlberg angestrebt.

Die ersten 100 Studenten sollen im günstigsten Fall 2018, realistischerweise aber erst 2020 an der Medical School ihr – kostenloses – Humanmedizinstudium beginnen. Jährlich würden weitere 100 folgen. Aber nur, wenn sie sich verpflichten, einige Jahre (die Zahl ist noch nicht definiert) in Tirol zu bleiben – je nach Bedarf entweder als praktischer Arzt oder in einem Bezirkskrankenhaus in der Peripherie. Denkbar sind laut Landesregierung fünf bis zehn Jahre.

Angesprochen sollen jene Personen werden, die an der Med-Uni Innsbruck nicht aufgenommen werden. Im Wintersemester 2014/15 gab es 2713 Bewerber für 450 Plätze (davon 360 für Humanmedizin), im Jahr zuvor waren es 2181. Im Studienjahr 2014/15 hatte die Med-Uni lediglich 142 Absolventen aus Österreich, 2008/2009 waren es noch 346. Rund 400.000 Euro kostet den Steuerzahler jeder Absolvent eines Medizinstudiums.

Mehrheit will ins Ausland

Laut einer Umfrage der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) will mehr als die Hälfte aller Studenten nach dem Abschluss ins Ausland gehen – was ein österreichweites Phänomen ist. Eine Erhöhung der Zahl von Ausbildungsplätzen werde diese Problematik nicht lösen. Das Ziel müsse der ÖH zufolge sein, „die vielen teuer ausgebildeten Ärzte in Tirol zu halten“. Aber die „Medizinervertreibung“ beginne bereits im letzten Studienjahr: „Während dieses klinisch-praktische Jahr in Österreich aktuell fast flächendeckend mit einer Aufwandsentschädigung vergütet wird, stellt Tirol dabei immer noch eine traurige Ausnahme dar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2016)

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