Amtsmissbrauch? Ehemaliger Polizeijurist vor Gericht

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Symbolbild(c) Clemens Fabry
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In Salzburg soll ein mittlerweile pensionierter Beamter 575 Verwaltungsstrafakten - meist Anzeigen gegen Prostituierte - nicht bearbeitet haben. Vor Gericht sieht er sich als Mobbingopfer und beteuert seine Unschuld.

Ein pensionierter Polizeijurist ist am Donnerstag wegen Amtsmissbrauchs und versuchter Beweismittelunterdrückung vor einem Schöffensenat in Salzburg gestanden. Er soll 575 Verwaltungsstrafakten nicht ordnungsgemäß erledigt haben. 561 Akten, die er laut Anklage entgegen einer Weisung ad acta gelegt hat, betreffen Prostituierte. Der Jurist sieht sich als Mobbingopfer. Er beteuerte seine Unschuld.

Der 58-jährige Angeklagte soll die ihm angelasteten Taten zunächst als Strafreferent und dann ab 1. November 2012 als Leiter des Strafamtes in der Landespolizeidirektion Salzburg begangen haben. Der wesentliche Vorwurf des Amtsmissbrauchs betrifft laut Staatsanwältin Katharina Dirisamer Anzeigen gegen Prosituierte. Im Jahr 2013 habe er vorgeschlagen, dass man bei ungarischen und rumänischen Prostituierten davon ausgehen könne, dass eine Strafverfolgung nicht möglich sei. In einem Schreiben habe aber sein Dienstvorgesetzter erklärt, dass er seine Zustimmung nicht erteile, weil es im Straßenstrich aufgrund des öffentlichen Druckes Handlungsbedarf gebe.

250 Akten verjährt

Doch entgegen der Weisung des Vorgesetzten habe der Polizeijurist einen Lehrling aufgefordert, die 561 Akten, die in vier Schachteln lagen, im Archiv abzulegen, ohne die Fälle einzeln zu überprüfen, erklärte die Staatsanwältin. Nur dem Zufall sei es zu verdanken, dass die Akten 2014 wieder aufgetaucht sind. Bei 250 Akten sei die Verjährung eingetreten.

In der Anklage werden noch weitere Tatzeiträume genannt. So soll der Beschuldigte zwischen Juli 2012 und Februar 2013 bei zumindest sieben Verwaltungsstrafakten keine Verfolgungsschritte gesetzt haben. Er habe die Akten zum Jahreswechsel 2012/2013 in einem leer stehenden Büro in einem 322 Akten umfassenden Stapel abgelegt, schilderte die Staatsanwältin. Ebenfalls in diesem Zeitraum soll er zumindest sieben weitere Verwaltungsstrafakten über einen längeren Zeitraum nicht bearbeitet und wegen Verjährung eingestellt haben. Entgegen des Vier-Augen-Prinzips habe er die Akten in das Archiv abgelegt, lautete der Vorwurf.

Wegen eines Vorfalls am 16. Mai 2014 wird dem Juristen versuchte Beweismittelunterdrückung angelastet. Er habe anlässlich seiner Suspendierung einen Akt zusammen mit seinen persönlichen Gegenständen verbringen und einen weiteren Akt zerreißen wollen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Suspendierung übrigens im Juni 2014 wieder aufgehoben. Der Polizist war dann etwa zwei Monate im Dienst und trat danach in den Krankenstand. Seit Oktober 2015 ist er in Pension.

Der Angeklagte bezeichnete sich als Opfer einer Intrige des Abteilungsleiters und persönlicher Feindschaften in der Führungsetage der Landespolizeidirektion Salzburg. "Ich bin absolut nicht schuldig", sagte er bei dem Prozess am Landesgericht zur vorsitzenden Richterin Martina Pfarrkirchner. Er habe alle Akten rechtskonform bearbeitet, lautete seine Rechtfertigung. Zu keiner Zeit sollte irgendein Akt unterdrückt oder eine Verjährung herbeigeführt werden. Zahlreiche Akten seien gar nicht auf ihn protokolliert gewesen. Es sei einfach versucht worden, ihm alles in die Schuhe zu schieben.

Was die Verwaltungsstrafakten gegen die Prostituierten betreffe, so habe er angeordnet, dass diese Akten zentral im Archiv abgelegt werden müssten, so der Angeklagte. Dadurch sei jederzeit ein Zugriff möglich gewesen, falls eine während des Strafverfahrens untergetauchte Beschuldigte wieder auftauchen sollte. Es gebe ja kein Amtshilfe aus Ungarn und Rumänien bei diesen Delikten. Für den Fall des Wiederauftauchens habe er die Vorsorge getroffen, dass der jeweilige EDV-mäßig erfasste Akt zum weiteren Vollzug wieder sofort bereitgestellt werden konnte.

"Strafamt in desaströsem Zustand übernommen"

Auch sei das Vier-Augen-Prinzip gegenüber dem Abteilungsleiter nicht verletzt worden, da dieses ihm gegenüber gar nicht gegolten habe. Bis zu seiner Übernahme des Strafamtes am 1. November 2012 sei es dort regelrecht "drunter und drüber gegangen". "Ich habe das Strafamt im desaströsen Zustand übernommen. Es war nichts organisiert", sagte der Angeklagte.

Es hätten klare Anweisungen gefehlt, wer welche Akte aufgrund seiner vorherigen Suspendierung übernommen habe und wann diese wieder rückgeführt würden. Es sei versucht worden, ihm Akten einfach unterzuschieben, meinte der Jurist. Sein Verteidiger Klaus Plätzer erklärte, dass das Strafamt durch zusätzliche Aufgaben, beispielsweise durch zusätzlich aufgestellte Radarkästen, vermehrte Alkoholdelikte und die Novellierung des Glücksspielgesetzes, überlastet gewesen sei. "Da ist eine Flut auf das Strafamt hereingebrochen. Die Personalressourcen waren aber nicht da."

Bei seinem Mandanten seien die Aktenrückstände allerdings viel geringer gewesen als bei anderen Kollegen. "Die Anklage ist der Gipfel einer Verfolgung gegen den Hofrat und weder objektiv noch subjektiv haltbar", empörte sich der Verteidiger. Er bezeichnete einen ehemaligen Vorgesetzten des 58-Jährigen als "Protagonist der Hetzjagd". Dieser sei in einem Verfahren gegen einen anderen Polizeijuristen als Zeuge aufgetreten, das Gericht habe ihm aber eine verminderte Glaubwürdigkeit attestiert. Ein Vier-Augen-Prinzip habe es zudem gar nicht gegeben, erklärte der Anwalt. Er verwies auf einen rechtskräftigen Bescheid der Disziplinarkommission des Innenministeriums aus dem Jahr 2015, wonach die Behörde zu dieser Auffassung gekommen sei. Am Donnerstag fand nur die Einvernahme des Angeklagten statt. Es werden in dem Verfahren noch weitere Verhandlungstage anberaumt.

(APA)

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