Hospiz: Neuer Anlauf für ein würdevolles Sterben

Hospiz Rennweg
Hospiz RennwegMichaela Bruckberger
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2004 nahm sich die Regierung vor, Hospiz- und Palliativeinrichtungen flächendeckend einzuführen. Passiert ist seither praktisch nichts.

Wien. Selbst gesteckte Ziele zu erreichen ist manchmal am schwierigsten. Bereits vor zwölf Jahren erstellten Experten im Auftrag des Gesundheitsministeriums unter Ministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) einen Plan, wie eine flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung zu erreichen ist. Die Bilanz im Jahr 2016 ist ernüchternd – daran änderte auch die vor mehr als einem Jahr groß abgehaltene viertägige Enquete der Regierung zu diesem Thema nichts: Nach wie vor ist nur etwa die Hälfte des österreichweiten Bedarfs gedeckt. Seit der Enquete vor einem Jahr ist außer Lippenbekenntnissen eigentlich nichts geschehen.

80.000 Menschen sterben pro Jahr – während es in Deutschland rund 200 stationäre Hospize gibt, sind es in Österreich gerade einmal zwei. In Wien gibt es nicht einmal ein einziges Hospizbett. Das, was weitläufig darunter verstanden wird – wie etwa die Einrichtung am Rennweg –, sind eigentlich Palliativbetten, die aber nur für drei Wochen finanziert werden. Wer stationäre Betreuung für einen längeren Zeitraum braucht, ist entweder auf die rein spendenfinanzierte Hilfe von NGOs wie der Caritas angewiesen oder muss Betreuung selbst in teuren Pflegeeinrichtungen finanzieren. Die dafür anfallenden Kosten können in Österreich je nach Bundesland bis zu zehn Jahre rückwirkend regressiert werden – was viele Angehörige in Armut stürzt. Für Kinder gibt es in ganz Österreich kein stationäres Hospizangebot.

Leuchtstift für den Finanzminister

Ein untragbarer Zustand, findet Caritas-Präsident Michael Landau. „Wir arbeiten im Bereich Palliativ und Hospiz seit 27 Jahren, haben in Wien etwa auch eine mobile Betreuung für Kinder“, sagte er am Karfreitag. Diese Arbeit sei ausschließlich von Spenden getragen. „Heutzutage würde auch keiner auf die Idee kommen, für ein Intensivbett Spenden zu sammeln. Unser Gesundheitssystem ist ausschließlich auf Heilung eingerichtet. Aber wenn nichts mehr zu tun ist, gibt es noch viel zu tun.“ Der Bund sei dringend gefragt, er wünsche sich von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), „dass er sich dieses Thema mit Leuchtstift markiert“.

Ein neuer Hoffnungsschimmer in dieser Debatte ist das von Sozial- und Gesundheitsministerium neu eingerichtete Hospiz- und Palliativforum. Dieses soll jene 51 Vorschläge zur Versorgung in diesem Bereich umsetzen, die vor einem Jahr bei der Enquete erarbeitet wurden. Präsidentinnen der Einrichtung sind die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP) und die ehemalige Wiener Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann (SPÖ). Das Forum konstituiert sich im April. Es sollen Vertreter aus Sozial-, Gesundheits- und Finanzministerium ebenso mitwirken, wie Gesandte der Bundesländer und der Sozialversicherung. „Wir haben von den Ministerien die Zusage, jede Unterstützung zu bekommen“, sagte Klasnic bei einer Pressekonferenz am Freitag. Ob das auch für die Finanzierung gilt, wird sich weisen. Das Ziel der beiden Präsidentinnen: jedes Jahr 18Millionen Euro zusätzlich zum bestehenden Angebot bis zum Vollausbau im Jahr 2020 aufzustocken. Um ein flächendeckendes Angebot sofort herzustellen, wären rund 72 Millionen Euro pro Jahr nötig. „Es braucht einen Topf, in den alle Beteiligten einzahlen“, sagt Pittermann. Zumindest das Bundesland Wien will dieses Thema auch bei den Finanzausgleichsverhandlungen ansprechen.

Personal und Paragrafen

Die Sicherung der Regelfinanzierung sei die eine Sache, die Frage des Personals eine andere, sagt Klasnic. „Wir brauchen auch Leute, die das dann liebevoll und passioniert machen“, erklärt Klasnic, die auch Präsidentin des Dachverbandes für Hospiz ist. Darum wolle man mit Organisationen wie der Caritas eng kooperieren und auch eine dementsprechende Ausbildung implementieren.

Neben der Sicherung der Finanzierung und des Personals hat die Caritas noch einen dritten Wunsch: Der Rechtsanspruch auf eine Hospiz- und Palliativbetreuung soll im Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verankert werden – so, wie das in Deutschland bereits passiert ist. Nur so sei sichergestellt, dass jeder Mensch am Ende seines Lebens auch die Betreuung erhält, die er braucht, unabhängig von seinem Einkommen. Landau: „Jeder Sterbende ist ein Lebender, bis zum Schluss. Und wie wir mit diesen Menschen umgehen, ist ein Gradmesser, wie solidarisch unsere Gesellschaft mit den Schwächsten ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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