#imZugpassiert: Frauen wehren sich gegen sexuelle Übergriffe

Reuters
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Tausende Frauen schildern derzeit auf Twitter sexuelle Belästigung im Zug – viele wollen ihnen nicht glauben. Frauenbewegungen versuchen nun, international Bewusstsein für Street Harassment zu schaffen.

Wien. Männer, die sich demonstrativ im Schritt kratzen, im Nachtwagen masturbieren oder eine Hand, die zwischen die Beine der Sitznachbarin wandert. Derzeit posten Tausende Frauen auf Twitter unter dem Hashtag #imZugpassiert ihre Erlebnisse mit sexuellen Übergriffen in Zügen – und wohl ebenso viele wollen dem keinen Glauben schenken, was derzeit zu einer heftigen medialen Debatte im deutschsprachigen Raum führt. Ausschlaggebend dafür war eine Ankündigung, dass es künftig in deutschen Zügen eigene Frauenabteile geben sollte – was von vielen Männern via Social Media als „übertrieben“ oder „unnötig“ bezeichnet wurde. In Österreich gibt es derartige Abteile schon lang. Laut Angaben der ÖBB werden diese tagsüber von rund zwei Prozent der allein reisenden weiblichen Fahrgäste genutzt, in der Nacht seien es bis zu 30 Prozent. „Es geht hier aber neben Sicherheit auch viel um Intimität – etwa stillende Frauen nehmen das gern in Anspruch“, sagt ÖBB-Sprecher Michael Braun.

Sexuelle Belästigung werde ernst genommen, man versuche darum auch laufend, das subjektive Sicherheitsbedürfnis weiblicher Fahrgäste zu steigern. So werden etwa bei Bahnhofsumbauten vermehrt Materialien wie Spiegel und Glas verwendet, um dunkle Ecken zu vermeiden. Seit Anfang 2015 hat die ÖBB 210 Sicherheitskräfte eingestellt, die auf Bahnhöfen Präsenz zeigen. „Tatsächlich ist die Kriminalität aber in den letzten Jahren nicht gestiegen“, sagt Braun. Wie viele sexuelle Übergriffe es in Zügen tatsächlich gibt, wird statistisch nicht erhoben. Laut Bundeskriminalamt wurden 44 Vorfälle im Jahr 2015 angezeigt, die sich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Haltestellen ereignet hatten. Dass nicht mehr Anzeigen vorliegen, heißt nicht, dass es sexuelle Belästigung nicht gibt – nur sind viele der auf Twitter beschriebenen Vorfälle strafrechtlich noch immer nicht relevant – auch wenn der Paragraf für sexuelle Belästigung zuletzt verschärft wurde.

International versuchen Frauenbewegungen aber, Bewusstseinsbildung für alltägliche sexuelle Belästigung zu schaffen, die mit dem Begriff Street Harassment auch einen Namen bekommen hat. Während sich dieser Begriff in den USA aber auch Schweden und Dänemark schon etabliert hat, politisch diskutiert wird – und Maßnahmen gesetzt werden, ist er in Österreich noch weitgehend unbekannt. „Hier gibt es noch sehr viele Mythen rund um das Thema sexuelle Belästigung“, sagt Martina Sommer, Leiterin des Wiener Frauennotrufs. Frauen würden noch immer häufig als prüde bezeichnet, wenn sie auf Grenzüberschreitungen aufmerksam machen, oder es würde ihnen eingeredet, sie hätten doch eindeutige Signale gesendet. „Es kommt zu einer Täter-Opfer-Umkehr. Gradmesser kann aber immer nur das subjektive Empfinden der Frau sein und nicht, was der Täter als Rechtfertigungen von sich gibt“, sagt sie.
Beim Frauennotruf würden sich viele Frauen melden, die sexuelle Belästigung in öffentlichen Verkehrsmitteln erfahren haben. Sommer rät: „Laut sagen, dass man das nicht möchte, Anwesende um Hilfe bitten – und wenn es nicht aufhört, keine Sekunde zögern und die Notbremse betätigen.“

Anmerkung der Redaktion:

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2016)

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