Österreich, das vorletzte Raucherparadies

(c) AP (Jens Meyer)
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In der Türkei gilt dies ab sofort, in Österreich bleibt es weiterhin unmöglich: ein generelles Rauchverbot. Allerdings steigen immer mehr Hotels und Touristenlokale freiwillig auf „komplett rauchfrei“ um.

WIEN. Die Gastronomen protestieren empört. Von einem Tag auf den anderen wurde die jahrhundertealte Tradition des (Wasserpfeife-)Rauchens in den Tee- und Kaffeehäusern ausgelöscht – seit dieser Woche gilt in der Türkei in sämtlichen Lokalen ein außergewöhnlich striktes Rauchverbot.

Von einem derartigen Gesetz, mit dem das Nicht-EU-Land Türkei sogar die Rauchverbote vieler EU-Länder übertrifft – selbst in Gastgärten darf nicht mehr geraucht werden, sofern sie durch Sonnenschirme „abgedeckt“ und nicht unter freiem Himmel sind –, ist man in Österreich weit entfernt. Bei uns gilt seit Anfang 2009 zwar ein Rauchverbot in der Gastronomie, eine typisch „österreichische Lösung“ allerdings, die dank vieler Ausnahmen (siehe Infokasten) und einer großzügigen Übergangsfrist für Umbauten in vielen Lokalen vor allem eins gebracht hat: wenig Veränderung. Damit ist Österreich – neben Serbien, das bewusst mit dem Image „Raucherparadies“ wirbt – eines der letzten europäischen Länder, in denen Rauchen in Bars und Cafés nach wie vor möglich ist.

Daran mögen sich die Österreicher gewöhnt haben – Touristen zeigen sich verwundert. „Von allen EU-Ländern, die ich besucht habe, nimmt Österreich es mit dem Rauchverbot am lockersten“, sagt Svetlana Arava, eine 37-jährige Ukrainerin, die gerade in Wien urlaubt. Als Raucherin freut sie das, denn: „In Wien muss ich nirgendwo aufpassen, ob Rauchen erlaubt ist, weil man das Rauchverbot nicht ernst nimmt.“ Auch Helena Martin, eine 21-jährige Studentin aus Birmingham ist überrascht, dass sie in der Innenstadtdisco „Passage“ zur Zigarette greifen darf. In England ist das längst verboten. „Ich bin begeistert von der Freiheit für Raucher in Österreich.“

Nichtraucher-Nachfrage steigt

Das geht nicht allen Touristen so, im Gegenteil. Gerade Besucher aus Ländern, die selbst strikte Rauchverbote haben, erwarten auch im Urlaubsland rauchfreie Zonen. „In den Salzburger Tourismusgebieten ist die Nachfrage nach Nichtraucherbetrieben sehr, sehr stark“, sagt Maximilian Nöhhammer, Obmann der Salzburger Gastronomen. „Internationale Gäste verstehen nicht, dass hier überhaupt noch geraucht werden darf“, sagt Steiermarks Tourismuschef Georg Bliem. Darf es auch immer weniger. Viele Hotels und Lokale mit der Zielgruppe „Touristen“ sind oft schon vor Einführung des halbherzigen heimischen Rauchverbots auf „komplett rauchfrei“ umgestiegen. Weil sie mussten. „Das war bei uns kein vorauseilender Gehorsam“, sagt Petra Engl-Wurzer, Sprecherin der Starwood-Gruppe (Hotel Bristol, Hotel Imperial), „wir haben dem ausdrücklichen Wunsch der Gäste nachgegeben.“ Seit gut eineinhalb Jahren sind Bristol und Imperial (mit Ausnahme der Lobbys) rauchfrei. Die Nachfrage nach Nichtraucherzimmern steigt stetig, im Imperial sind heute nur noch 20 Prozent der Zimmer deklarierte Raucherzimmer.

Eine Entwicklung, die Norbert Kettner, Chef von WienTourismus, nicht überrascht. Rauchverbote seien „eine internationale Strömung, und gerade im Städtetourismus haben wir viele internationale Gäste“. Dass Österreich sich noch zu keinem totalen Rauchverbot durchgerungen hat, schade dem Image des Landes aber nicht, glaubt er. Vom Besuch abhalten würde die heimische Regelung („Eine typisch österreichische Lösung“) die Besucher nicht. „Aber“, sagt Kettner, „es kann schon passieren, dass sie die Zufriedenheit des Aufenthalts dadurch schlechter bewerten.“

Im Hotel Ibis in der Schönbrunnerstraße, nach eigenen Angaben das einzige komplett rauchfreie Hotel in Wien, verzeichnet man verstärkte Nachfrage, seit das Hotel 2006 Rauchen aus dem ganzen Hotel verbannt hat. „Wir bedienen da eine Marktnische, viele buchen uns bewusst“, sagt Hoteldirektor Günter Semler, „und auch die, die zufällig hier landen, sind positiv überrascht“. Zumindest fast alle. Denn während Touristen aus den USA die Rauchfreiheit schätzen, „erwarten Gäste aus dem Osten nach wie vor, dass sie überall rauchen dürfen“. Aus Semlers Sicht wäre ein generelles Rauchverbot wie in der Türkei auch in Österreich sinnvoll. „Die derzeitige Lösung ist ja ein Vielleicht-Rauchverbot.“

René Mimlich, Geschäftsführer des türkischen Lokals „Kent“ am Wiener Brunnenmarkt, sieht das anders. Das Rauchverbot in seiner Heimat Türkei „ist eine Katastrophe. Die Türken sind starke Rauche, das wird den Gastronomen sicher Besuchereinbußen bringen.“

AUF EINEN BLICK

In der Türkei ist das Rauchen in Lokalen seit dieser Woche generell verboten.
In Österreich gilt seit 1. 1. 2009 ein Rauchverbot in der Gastronomie – allerdings mit vielen Ausnahmen: Lokale unter 50 mkonnten frei wählen, ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherbetrieb sind. Ab einer Lokalgröße von 50m müssen Betriebe, so sie das Rauchen erlauben wollen, getrennte Raucher- und Nichtraucherräume schaffen. Ausnahme: Wenn nachgewiesen werden kann, dass Umbauten nicht möglich sind, darf weiter geraucht werden. Für die Umbauten haben Gastronomen bis Juni 2010 Zeit. Bis dahin darf, so die Umbaupläne eingereicht wurden, weiter geraucht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2009)

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