Hausärzteverband warnt: Bald "nur mehr Wahlärzte"

Der Hausärzteverband warnt vor einer Flucht der Patienten in die Privatmedizin.
Der Hausärzteverband warnt vor einer Flucht der Patienten in die Privatmedizin. BilderBox
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Sollte die „Versklavung der Vertragsärzte“ voranschreiten, wird es laut Österreichischem Hausärzteverband bald nur noch Wahlärzte geben.

Wien. Vor einer „Einklassenmedizin mit ausschließlich Wahlärzten“ warnt der Sprecher des Österreichischen Hausärzteverbands, Wolfgang Geppert, nach einem „Presse“-Interview mit Hauptverbandschefin Ulrike Rabmer-Koller. Sie hatte sich am Montag für mehr Ärzte mit Kassenvertrag ausgesprochen, die aber überarbeitet gehörten, um zeitgemäßer (etwa mit Teilzeitoption) zu werden.

„Während Rabmer-Koller nach mehr Kassenärzten ruft, explodiert die Zahl der Wahlarztordinationen“, sagt Geppert. Österreichweit hätten bereits knapp 60 Prozent der niedergelassenen Ärzte keine Kassenverträge. „Kein Wunder, denn die Fremdbestimmung der Vertragsärzte hat ein unerträgliches Maß angenommen. Mehr und mehr verweigern selbstbewusste Jungärzte die Zwangsjacke Kassenvertrag.“ Sollte diese „Versklavung“ voranschreiten, werde sich das Problem der Zweiklassenmedizin – hier Kassen- und dort Wahlärzte – bald von selbst lösen: „Dann kommt die Einklassenmedizin. Nur mehr Wahlärzte.“

„Hausgemachtes Schlamassel“

„Versagen auf allen Linien“ wirft unterdessen die Gesundheitssprecherin der ÖVP Wien, Ingrid Korosec, Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) nach dem bekannt gewordenen Überstundenverbot für Spitalsärzte im Krankenanstaltenverbund (KAV) vor. „Die Presse“ hatte am Montag auch berichtet, dass Ärzte per KAV-Anweisung aus Kostengründen künftig nicht länger als 40 Stunden pro Woche arbeiten sollen – was laut Ärztekammer zwangsläufig zu Leistungskürzungen und längeren Wartezeiten für Patienten führen würde.

Insbesondere die Tatsache, dass Wien mit der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes mehr als zehn Jahre gewartet habe, während andere Bundesländer wie etwa Vorarlberg ihre Hausaufgaben viel früher erledigt hätten, ist für Korosec „bezeichnend für die Reformverweigerung der Wiener Stadtregierung“. Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Umstellung von bisher 72 Stunden auf eine 48- oder 40-Stunden-Woche in einer derart kurzen Zeit mit dem vorhandenen Personal nicht machbar sein werde. „Dieses organisatorische Schlamassel ist eindeutig hausgemacht“, sagt Korosec. „Wir fordern daher ein umfassendes Konzept zur raschen und nachhaltigen Rekrutierung des nötigen ärztlichen und pflegerischen Personals für den KAV.“

„Missverständliche Angaben“

KAV-Generaldirektor Udo Janßen wollte sich am Montag zur Causa nicht äußern. Stattdessen teilte Michael Binder, Leiter des Bereichs Health Care Management im KAV, gegenüber der „Presse“ mit, dass die Anweisungen der KAV-Führung „missverständlich transportiert“ worden seien.

Es gehe nicht um ein Verbot von Überstunden, sondern um den „sorgsamen und planenden“ Umgang damit. Schließlich handle es sich dabei um Steuergeld.

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