Gerasdorf: 18 Millionen Euro für Jugendhaft

Das Justizressort treibt die Vergrößerung der Anstalt voran.
Das Justizressort treibt die Vergrößerung der Anstalt voran.Clemens Fabry
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Österreichs einziges Jugendgefängnis, die Sonderanstalt in Gerasdorf (NÖ), wird bis 2019 in großem Stil erneuert und ausgebaut.

Wien/Gerasdorf. Wenn es um die Vergabe kreativer Bezeichnungen ginge, hätte das Jugendgefängnis im niederösterreichischen Gerasdorf die Nase vorn: Jugendhaftkompetenzzentrum soll die Justizanstalt ab Sommer 2019 heißen. Bis dahin soll der groß angelegte Um- und Ausbau fertig sein. Die Kosten sind beträchtlich: 18 Millionen Euro werden veranschlagt. Beginn der Arbeiten: Frühling 2017.

Ausgelegt ist die Anstalt für Jugendliche, also für Häftlinge bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Und für sogenannte junge Erwachsene (bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres). Dies soll auch so bleiben. Sinn der Neugestaltung ist laut ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter: „Eine deutliche Verbesserung im Jugendstrafvollzug durch zeitgemäße und altersgerechte Unterbringungsbedingungen und eine Erweiterung der Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten.“ Das heißt konkret: Ein Zubau mit 42 Haftplätzen ist geplant. Bei Vollbelegung finden dann 122 Personen Platz. Die bestehenden 15 Lehrwerkstätten (etwa für Kfz-Mechaniker, Karosseure oder Autolackierer) werden vergrößert.

Nur männlich, nur bis 26

„Gerasdorf“ ist Österreichs einziges Jugendgefängnis. Verurteilte Straftäter (nur männliche Insassen) aus allen Bundesländern sind in dem von Wiesen umgebenen, aus mehreren Gebäuden bestehenden Komplex inhaftiert. In der Regel handelt es sich um Personen, die mehr als sechs Monate Freiheitsstrafe bekommen haben.

Auch Verdächtige, die sich aller Voraussicht nach auf eine längere U-Haft-Zeit einstellen müssen, kommen bis zum Prozess (und bei Verurteilung zu einer Haftstrafe logischerweise auch darüber hinaus) nach Gerasdorf. Maximal bis zum 27. Geburtstag können Insassen im dem Sondergefängnis bleiben. Jene, die ihre Haft bis zu diesem Alter noch nicht abgesessen haben, sind dann zu verlegen.

Dieser Tage müssen sich beispielweise auch jene drei mutmaßlichen Vergewaltiger, die vor einigen Tagen am Wiener Praterstern zugeschlagen haben, darauf einstellen, in der niederösterreichischen Anstalt zu landen. Derzeit sitzen die drei noch in „normalen“ Gefängnissen (freilich jeweils in einem Jugendtrakt) in U-Haft. Wie berichtet waren drei afghanische Asylwerber, zwei 16-jährige und ein 17-jähriger, in eine Damentoilette eingedrungen und über eine 21-jährige Austauschstudentin hergefallen.

Auch der Verteidiger eines der beiden 16-Jährigen, der Wiener Anwalt Martin Mahrer, rechnet damit, dass die drei dringend Tatverdächtigen einer längeren U-Haft entgegenblicken. Dass das Trio (Mahrers Klient ist voll geständig) bei der nächsten Haftverhandlung, am 9. Mai, freikommt, glaubt der Anwalt nicht.

Justizpolitik: Haft vermeiden

Generell besteht die – von gesetzlichen Maßnahmen flankierte – Linie des Justizministers aber darin, bei Jugendlichen Haft überhaupt zu vermeiden. Bei Kapitalverbrechen sind Gefängnisstrafen jedoch unumgänglich – wenngleich Gerichte bei Jugendlichen vielfach bedingte Haft (Bewährungsstrafen) auch noch dann verhängen, wenn es sich um Raubüberfälle handelt. Das ist zum Beispiel in Wien bei Mitgliedern der „Goldenberg-Jugendbande“ der Fall gewesen. Die Statistik zeigt, dass sich der Ansatz, möglichst wenig junge Leute einzusperren, zumindest zum Teil in der Praxis widerspiegelt.

Bei österreichweit aktuell insgesamt 8900 Häftlingen (mit Jahreswechsel waren es noch 8600) saßen mit Stichtag 29. April 517 Jugendliche und junge Erwachsene in U- oder Strafhaft. Am 1. April des Vorjahres waren es 522, noch ein Jahr früher 536.

Mehr Jugendliche in U-Haft

Rechnet man aber die in U-Haft befindlichen Jugendlichen heraus, zeigt sich ein anderes Bild: Mit Ende April saßen 79 Jugendliche in U-Haft. Im Vorjahr waren es 75 und 2014 „nur“ 58.

Wie sieht nun die Leiterin der Justizanstalt Gerasdorf, Margitta Neuberger-Essenther, die geplante Erweiterung „ihrer“ Anstalt? Naturgemäß positiv: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Sie weist im „Presse“-Gespräch darauf hin, dass künftig jeder Haftraum – jeder Insasse hat eine eigene Zelle, mehrere Leute in einer Zelle gibt es in Gerasdorf nicht – eine eigene Dusche haben wird. Derzeit müssen sich Insassen die Duschen teilen.

Zudem sollen alle Eingesperrten einer bestimmten „Wohngruppe“ innerhalb der Anstalt zugeteilt werden: sieben Personen pro Gruppe. So soll eine familienähnliche Struktur geschaffen werden. Und: Sogar Ergotherapie wird den Häftlingen künftig angeboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2016)

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