"Populistische Gesetzgebung": Kritik an Sobotka-Plänen

 Innenminister Sobotka bei der Präsentation
Innenminister Sobotka bei der Präsentation "Aktionsplan Sicheres Österreich" am DonnerstagAPA/HERBERT NEUBAUER
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Vor allem der Plan des Innenministers, nicht rechtskräftig verurteilte Straftäter in Schubhaft zu nehmen, stößt bei Juristen und Menschenrechtlern auf Ablehnung.

Dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ausländische Staatsbürger nach erstinstanzlichen Verurteilungen zukünftig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in Schubhaft nehmen will, um sie an der Flucht zu hindern, stößt auf teils vehemente Kritik. "Wir lehnen diese Pläne entschieden ab", sagte dazu am Freitag etwa der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (OERAK), Rupert Wolff.

Der Generalsekretär von Amnesty International (ai) Österreich, Heinz Patzelt, bezeichnete die Absichten Sobotkas als "höchst fragwürdig". Eine entsprechende gesetzliche Regelung wäre "schwer diskriminierend" und "eine klare, wesentliche Menschenrechtsverletzung". Die schwersten Rechtsfolgen - nämlich freiheitsentziehende Maßnahmen - an nicht rechtskräftige Urteile zu knüpfen und dabei obendrein zwischen in- und ausländischen Staatsbürgern zu unterscheiden, widerspreche "jedem grundlegenden Menschenrechtsverständnis" und sei "nicht zulässig", so Patzelt gegenüber der Austria Presseagentur.

"Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Auge behalten"

"Jemanden nur in Schubhaft zu nehmen, weil er in erster Instanz verurteilt wurde, ist vollständig überzogen und greift tief in die verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte ein", gab Rechtsanwälte-Präsident Wolff im Gespräch mit der Austria Presseagentur zu bedenken. Man müsse "den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Auge behalten", verlangte Wolff: "Es entspricht unserer jahrelangen Erfahrung, dass erstinstanzliche Urteile im Berufungsverfahren oft abgeändert und auch in Freisprüche ungewandelt werden."

Auch für die Richtervereinigung stellt sich "aus grundsätzlichen Überlegungen die Frage der Verhältnismäßigkeit, vor allem wenn die Schubhaft dazu führt, dass sich jemand dann länger in Haft befindet", wie Sabine Matejka, Vizepräsidentin der Richtervereinigung, auf Anfrage der Austria Presseagentur darlegte. "Die Unschuldsvermutung gilt bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens. Jemanden vorher wegen eines Ladendiebstahls oder eines kleineren Vergehens in Haft zu nehmen, wäre ein massiver Grundrechtseingriff", pflichtete Gerhard Reissner, ebenfalls Vizepräsident der richterlichen Standesvertretung, bei.

"Populistische, anlassbezogene Gesetzgebung"

Unterdessen wurde im Innenministerium auf betont, dass jedenfalls ausreichend freie Kapazitäten vorhanden wären, um mehr Menschen in Schubhaft nehmen zu können. Derzeit kann Schubhaft verhängt werden, damit sich Fremde nicht einer Abschiebung entziehen. Dabei ist eine Frist von maximal zehn Monaten innerhalb von 18 Monaten zu berücksichtigen, erläuterte ein Sprecher des Innenministeriums.

Auch weitere Vorschläge des neuen Innenministers zur Kriminalitätsbekämpfung werden durchaus kritisch betrachtet. In Fällen von sexueller Belästigung eine "Meldeverpflichtung" für Tatverdächtige bei der Polizei einzuführen, hält OERAK-Präsident Wolff für eine "populistische, anlassbezogene Gesetzgebung, wenn sie so kommt". Sobotka hatte diese beabsichtigte Maßnahme damit begründet, man wolle den Tagesablauf "junger Asylwerber" strukturieren. "Zielführender wären Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt und das Sozialleben", bemerkte dazu Wolff.

Anzeigen auf einem Tiefststand

Ähnlich sieht das der Geschäftsführer des Vereins Neustart, Christoph Koss: "Jüngste Einzelfälle und die damit nachvollziehbare Sorge um die Sicherheit dürfen den Blick auf eine insgesamt positive Kriminalitätsentwicklung nicht verstellen." Im Vorjahr hätten sich die Anzeigen auf einem Tiefststand seit 1999 befunden. "Für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung sind Maßnahmen nur auf der Basis gesicherter Daten und mit Schwerpunkt auf Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik zu setzen", hielt Koss fest.

Sobotkas Wunsch, DNA-Daten in Zukunft auch bei Vergehen zu sammeln, die mit bis zu einem Jahr Haft bedroht sind - etwa sexuelle Belästigung oder Nötigung - , wies OERAK-Präsident Wolff ebenfalls zurück: "Es gibt einen unglaublichen Hunger und eine Gier nach diesen Daten. Diese sind aber nur dann als gezielte Beweismittel sinnvoll, wenn es um einen dringenden Tatverdacht bei schweren Verbrechen und nicht bloßen Vergehen geht."

(APA)

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