Harte Anwaltskritik an österreichischen Strafgerichten

Archivbild: Anwälte-Präsident Rupert Wolff
Archivbild: Anwälte-Präsident Rupert Wolff(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Anwälte ziehen Jahresbilanz: Die Qualität der österreichischen Strafgerichte sei nicht ausreichend. Auch die Entstehung von Gesetzen weise Mängel auf.

Mit herber Kritik reichern die österreichischen Rechtsanwälte ihren traditionellen, am Donnerstag zum 42. Mal veröffentlichten Wahrnehmungsbericht an: Eine brancheninterne Umfrage ergab, dass satte 41 Prozent der Befragten die Qualität der österreichischen Strafverfahren als „schlecht“ empfinden. 13 Prozent sagen sogar „sehr schlecht“. Befragt wurden insgesamt rund 150 Personen: Anwälte und Anwaltsanwärter. Nur 8 Prozent sehen die Qualität der Strafverfahren als "sehr gut".

Hingegen kommt die österreichische Zivilgerichtsbarkeit viel besser weg: Hier sagen 70 Prozent der Befragten, die Qualität sei "gut" bzw. "sehr gut".

Diese Angaben findet man nun in einer Studie ("Fieberkurve des Rechtsstaates"), die vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) in Kooperation mit Obergantschnig Management Partners erstellt wurde. Ingesamt greift diese Studie, die auch einen Ländervergleich zwischen Österreich, Deutschland und Slowenien enthält, sowohl auf Indizes anderer Studien (Beispiel: Rule of Law Index), die auf Umfragen aufbauen, zurück - als auch auf Hardfacts.

Slowenien besser als Österreich

Die Studie zeigt auch, dass in Slowenien ein Staatsanwalt jährlich 507,3 Fälle zu bearbeiten hat. In Deutschland sind es 875,5, in Österreich gar 1529. Dreimal so viele wie in Slowenien.

Jedoch steht Österreich im Rule of Law Index, der unter anderem die Effektivität staatlicher Ermittlungsmaßnahmen und die Unabhängigkeit des Systems bewertet, besser als die beiden Vergleichsländer da. Eine andere Studie (CEPEJ-Studie) wiederum bescheinigt Österreich im Punkt "Effektivität Strafverfahren" nur Rang 3.   

Auffällig ist auch, dass die Qualität der Gesetzgebung von den Anwälten als mangelhaft eingestuft wird. Konkret heißt es im Wahrnehmungsbericht, dass die Begutachtungsfristen zu kurz seien. So sei eine professionelle Auseinandersetzung mit Entwürfen nicht mehr möglich. Beispiel: Nur zehn Tage Begutachtung für die Urheberrechtsnovelle 2015.

Anwälte-Präsident Rupert Wolff am Donnerstag vor Journalisten: "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Politik hier versucht, Gesetze an
der Zivilgesellschaft vorbeizuschummeln." Wolff verlangt hier "Good Governance Rules". Und: Der Bundespräsident sollte Gesetze nicht unterschreiben, wenn sie nicht entsprechend zustande gekommen seien.

Betrachtet man sämtliche in der Studie untersuchten Cluster (siehe Grafik) so schneidet Österreich (57 Punkte) in Summe besser als Slowenien (31), aber hinter Deutschland (72) ab.

Anwälte gegen Kronzeugen-Regelung

Kritisch sehen die Anwälte den steigenden Hang zum
Überwachungsstaat, zum Beispiel mittels "Bundestrojaner", aber auch die 13 Novellen im Asyl- und Fremdenrecht innerhalb von nur zehn Jahren.

Unglücklich sind sie mit der vom Justizministerium angepeilten Verlängerung der großen Kronzeugenregelung (Kronzeuge packt aus, belastet andere und entgeht einer Verurteilung). Der Gesetzgeber möge das entsprechende Gesetz einfach mit Jahresende auslaufen lassen - und nicht dauerhaft einführen, heißt es.

In der Berufspraxis orten die Rechtsanwälte immer wieder Probleme mit der Akteneinsicht. So gibt es bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten Aktenkopien nur gegen Vorauskasse, es sei denn, man ist
niederösterreichischer Anwalt. Dies berichtete ein Wiener Anwalt an den ÖRAK.

Dazu aus dem Wahrnehmungsbericht: "Abgesehen von der damit einhergehenden erheblichen Verzögerung sei es nach Ansicht des Kollegen unverständlich, warum sich die Staatsanwaltschaften nicht dem System des justiziellen Gebühreneinzugs anschließen können und angeforderte Aktenkopien über dieses System verrechnet werden."

Mit "Entsetzen" sieht man auch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, dass auch im elektronischen Rechtsverkehr die Amtsstunden - beim Bundesverwaltungsgericht von 8 bis 15 Uhr einzuhalten sind.

Die Presse Grafik

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