KZ-Gedenkstätte: Polen übt Kritik an Mauthausen-Ausgliederung

The internal prison of the former concentration camp Mauthausen near Linz
The internal prison of the former concentration camp Mauthausen near Linz(c) REUTERS (DOMINIC EBENBICHLER)
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Das ehemalige Konzentrationslager wird aus dem Innenministerium in eine Bundesanstalt überführt. Das schafft einerseits mehr finanzielle Unabhängigkeit. Andererseits fehlt Opferverbänden ein internationales Mitspracherecht.

Wien. Rund 200.000 Besucher kommen im Schnitt jährlich in das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen (OÖ) und seine mehr als 40 Nebenlager. In den vergangenen Jahren war dieser Gedenkort für die Opfer der NS-Verbrechen organisatorisch im Innenministerium in Wien in der Abteilung IV/7 angesiedelt. Und dort lag bisher auch die inhaltliche und wirtschaftliche Verantwortung für die geschichtsträchtige Liegenschaft. Mit dem Jahreswechsel wird sich das ändern. Die KZ-Gedenkstätte wird ausgegliedert und ab 1. Jänner 2017 als Bundesanstalt öffentlichen Rechts geführt. Freilich weiterhin unter Führung des Innenministeriums.

Das entsprechende Gesetz wurde Ende Mai dem Ministerrat vorgelegt, kommt Ende Juni in den Innenausschuss, und darüber wird Anfang Juli im Parlament abgestimmt. Während Innenminister Wolfgang Sobotka (VP) den Schritt gelobt hat, weil Mauthausen damit „zu einer effizienten, inhaltlich autonomen und unbürokratischen Einrichtung“ werde, stehen Organisationen ehemaliger Häftlinge aus mehreren Ländern dem Gesetz weiterhin kritisch gegenüber und hoffen, dass es noch Änderungen geben werde.

Wenig Mitspracherecht

Vor allem polnische Opferverbände sehen einige ihrer Vorstellungen nicht erfüllt. „Wir müssen feststellen, dass unsere Forderungen nicht berücksichtigt wurden“, heißt es in einem Schreiben an das Innenministerium (es liegt der „Presse“ vor). Dies sei besonders ärgerlich, weil ihnen zuvor vom Innenministerium versprochen worden war, ihre Anliegen zu berücksichtigen.

(C) DiePresse

Für die Polen ist das Thema KZ Mauthausen auch deshalb von so großer Bedeutung, weil hier zahlreiche polnische Bürger inhaftiert waren und viele ums Leben gekommen sind. Vor allem im Nebenlager Gusen. Insgesamt starben in Mauthausen/Gusen fast 100.000 Menschen unter dem Nazi-Terror.

Schon vor einem Jahr haben Verbände ehemaliger polnischer Häftlinge ihre Änderungswünsche zu dem Gesetz deponiert. Eine Forderung betraf die stärkere Internationalisierung der neuen Bundesanstalt und ihrer Organe. Da es jedoch viele Länder gibt, deren Staatsangehörige Opfer im Konzentrationslager wurden, sollte es für diese Staaten auch Möglichkeiten geben, bei Entscheidungsprozessen das KZ betreffend mitzuwirken, so die Forderung. Im aktuellen Gesetzestext wird diese aber nur teilweise erfüllt. Zwar werden im internationalen Beirat Vertreter aus mehreren Ländern sitzen, darunter Polen. Im wichtigen 15-köpfigen Kuratorium aber sind fast nur österreichische Institutionen vertreten.

Lob von Israelitischer Kultusgemeinde

Eine weitere Forderung der Polen ist auch, die Bedeutung von Gusen im Namen stärker herauszuheben. „Die polnischen Häftlingsverbände wollen, dass es eine Umbenennung in Gedenkstätte Mauthausen-Gusen gibt“, sagt Botschafter Artur Lorkowski, dessen Regierung die Forderungen der Verbände unterstützt. So könnte man „die Erinnerungsarbeit auf zwei Beine stellen und besser zeigen, dass es ein System der Vernichtung gab“.

In Österreich gab es dagegen zur geplanten Ausgliederung nur wenige öffentliche Debatten. Lediglich die Grünen äußerten starke Kritik. Deren Bildungssprecher, Harald Walser, sagt: „Wir hätten es gern gesehen, wenn Mauthausen in eine Stiftung überführt worden wäre, in der ausschließlich Fachleute das Sagen haben.“ Sein Argument: Damit sei mehr Internationalität garantiert, und es gebe weniger politische Abhängigkeiten in Österreich.

Der Grünpolitiker ist sich sicher, dass mit dem neuen Konstrukt das schwarze Innenministerium weiterhin Entscheidungen und Strategien in der KZ-Gedenkstätte dominieren werde. Außerdem weise die Vorgangsweise auf einen indirekten Sparkurs hin. Künftig könne die KZ-Gedenkstätte durch ihre neue Rechtsform finanzielle Drittmittel lukrieren. Das war der Abteilung IV/7 als Teil des Ministeriums bisher nicht möglich.

Es gibt aber auch positive Stellungnahmen zu dem Gesetzesentwurf. So hat etwa die Israelitische Kultusgemeinde Wien den Text begrüßt und sieht die Reorganisation von Mauthausen als „positive und zeitgemäße Maßnahme“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2016)

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