360 Grad Österreich: Die 1:4-Welt der Formel 1

Symbolbild.
Symbolbild.(c) APA/AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV
  • Drucken

Die echte Formel 1 misst sich am kommenden Wochenende in Spielberg. Bei den Meisterschaften der Large-Scale-Rennmodelle geht es nicht minder ernst zu.

Auf den Reifen liegt eine Heizdecke, der Mechaniker schraubt hinten an der Radaufhängung, prüft mit einem Blick den Heckflügel, stellt ihn ein wenig flacher, prüft noch einmal, und dann wird es höchste Zeit. Auf einem Monitor läuft bereits der Countdown für das Qualifying, der Mechaniker nimmt die Heizdecken von den Reifen – jetzt sollten sie etwa 65 Grad haben –, das Formel-1-Auto saust aus der Boxenstraße und hat nach wenigen Sekunden eine Geschwindigkeit von etwa 500 km/h erreicht.

Relativ. Alles hier ist relativ – im Maßstab 1:4. Das Formel-1-Auto, die Heizdecken, die Pneus, die Scheibenbremsen – nur der Fahrer ist im Originalmaßstab. Er steht oben auf einer Tribüne, hält eine Fernsteuerung in der Hand und jagt den etwa einen Meter großen Rennwagen um eine Strecke mit Kurven und langen Geraden.

Nur weil es relativ ist, bedeutet es aber nicht, dass man hier auf dem Niederösterreich-Ring im Modellsportzentrum Sollenau mit weniger Ernst bei der Sache ist als in Spielberg vom kommenden Freitag bis Sonntag, wenn sich die echten Formel-1-Autos auf dem Red-Bull-Ring ihr Österreich-Rennen liefern. Die Königsklasse des Motosports ist es hier wie da, in Sollenau eben nur verkleinert und ferngesteuert.

„Wenn man vorn dabei sein will, dann muss man viel Zeit investieren“, sagt Andreas Blum über sein Hobby. Der Vorarlberger ist – um beim Vergleich zu bleiben – der Nico Rosberg der österreichischen Large-Scale-Liga, wie die Klasse heißt. Er hat schon mehr als 100 Siege errungen, ist mehrfacher Staatsmeister, auch bei den heurigen Staatsmeisterschaften fährt er ganz vorn mit, Blum hat mit seinem roten Formel-1-Rennwagen an Europa- und auch schon an Weltmeisterschaften teilgenommen.

„Viel Zeit“ heißt in seinem Fall: „Unter der Woche schraube und bastle ich sicher 40 Stunden an den Autos herum.“ In der Rennsaison, die im Mai beginnt, ist er „an 20, 30 Wochenenden“ unterwegs.

Das wirft bei einem 42-jährigen Mann vor allem eine Frage auf: Ist das nicht kindlich? „Das hört man immer wieder“, antwortet Blum. „Fast jeder hat als Kind ein ferngesteuertes Auto gehabt und stellt sich vor, dass das so ähnlich ist.“ Er lade die Skeptischen dann immer auf eine der vielen Rennstrecken in Österreich ein und zeige ihnen, um was es geht.


Preis bis 6500 Euro. Es geht um das: ein etwa ein Meter großes maßstabgetreues Modell, ein Zweitaktmotor mit 26 Kubikzentimetern Hubraum und einer Leistung zwischen sechs und zehn PS, Höchstgeschwindigkeit zwischen 80 und 100 km/h (umgelegt auf reguläre Formel-1-Autos wären das 700 bis 800 km/h). Das Auto hat vier hydraulisch gesteuerte Scheibenbremsen, Einzelradaufhängung, der Auspuff ist aus Titan, viele Teile aus Carbon – und wenn man ganz vorn dabei sein will, dann zahlt man für ein Spitzenmodell so viel wie für einen gebrauchten Kleinwagen: 6500 Euro.

Rennen kann man damit auf etwa 80 Kursen in Österreich fahren, die ebenso maßstabgetreu gebaut sind, etwa auf dem Stöhr-Ring vom Modellrennautoclub Graz (wo auch an diesem Wochenende Rennen stattfinden). „266 Meter Länge, Flutlicht, eine Videowall – wir sind gut ausgerüstet“, erklärt Klubpräsident Ewald Prochaska. 10.000 Euro koste der Betrieb pro Jahr, in Graz fanden bereits sieben Europa- und zwei Weltmeisterschaften statt.

Bei einem Large-Scale-Rennen ist der Ablauf nicht viel anders als bei einem richtigen Formel-1-Rennen. Es gibt ein Training, ein Qualifying entscheidet über die Startaufstellung, und dann folgt ein 50-minütiges Rennen (oder, wenn es schon spät am Sonntag ist, 30 Minuten). „Die Herausforderung ist, sich so lang zu konzentrieren“, erzählt Blum. „Man ist enorm schnell unterwegs, beim kleinsten Fehler fliegt man raus.“

Dazu kommt die Taktik: Manchmal muss man nachtanken, vor allem aber muss man auf die Reifen achten, die wie beim echten Formel-1-Rennen schnell verschleißen. „Wenn man schlecht fährt, sind die Reifen nach 20 Minuten tot.“ Ein Reifensatz kostet etwa 75 Euro. Das ist nicht das große Problem. Es geht um den Zeitverlust bei einem Reifenwechsel, der zudem schmerzhaft sein kann: Die kleinen Reifen erreichen im Rennen eine Temperatur von mehr als 100 Grad.

Je nach Kurs fährt man ein Minimum von 80 Runden (bei 30 Minuten Rennzeit) auf einer Strecke, die einmal auf den Fahrer, der mit der Fernbedienung auf einer Tribüne steht, zuführt, dann wieder von ihm wegführt. Man muss sich also im Kopf ständig umstellen, wenn man etwa nach links lenken muss, um nach rechts zu fahren. „Ein Jahr brauchst ungefähr, bis du nicht mehr überall reinkrachst und alles kaputt machst“, sagt Blum.

Am kommenden Wochenende, wenn in Spielberg das Formel-1-Rennen über die Bühne geht, hat Andreas Blum auch selbst ein Rennen. Irgendwie werde er sich aber die TV-Übertragung aus Spielberg anschauen. „Das“, meint er, „lass ich mir auf keinen Fall entgehen.“

Zahlen

100km/h erreichen die kleinen Formel-1-Modelle auf der Rennstrecke. Umgelegt auf die echten Formel-1-Autos sind das etwa 800 km/h.

6500Euro kostet ein bestausgestattetes 1:4-Modell eines Formel-1-Rennwagens. Gebrauchte ferngesteuerte Modelle gibt es bereits ab etwa 1000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.