Teurer, billiger? Wie ist das mit dem VOR-Tarif?

 Die Arbeiten auf der U4-Trasse, einer beliebten Pendlerstrecke, in Hietzing gestern, Montag. Ab Samstag ist bis 5. September in Schönbrunn Endstation.
Die Arbeiten auf der U4-Trasse, einer beliebten Pendlerstrecke, in Hietzing gestern, Montag. Ab Samstag ist bis 5. September in Schönbrunn Endstation.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Die bevorstehende Tarifreform verteuert so manche Verbindung erheblich. Der Grund: Lieb gewonnene Ausnahmeregeln vor allem im Wiener Einzugsbereich fallen mit dem 6. Juli schlagartig weg.

Wien. Es dauerte ein paar Tage, bis bei den betroffenen Fahrgästen wirklich ankam, was die umfassende Tarifreform von Österreichs größtem Verkehrsverbund tatsächlich bedeutet. Gar nicht so wenigen Nutzern des VOR (Verkehrsverbund Ost-Region) treibt das mit 6. Juli in Kraft tretende System die Zornesröte ins Gesicht. Obwohl das Unternehmen, unter dessen Dach öffentliche Verkehrsmittel in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland fahren, von Kostenneutralität spricht, tauchen nun immer mehr Verlierer der neuen Fahrpreisberechnung auf.

Der „Presse“ liegen Beispiele von Lesern vor, in deren Fällen sich die für Pendler so wichtigen Jahreskarten um 13, 45 und in einem Fall sogar um 69 Prozent verteuern. Wie passt das mit der Ankündigung des VOR zusammen, dass die Reform für die meisten Kunden gar nicht spürbar sein werde?

Nur Kernzone nicht betroffen

Zu tun hat das in erster Linie damit, dass das seit der Betriebsaufnahme des VOR in den 1980er-Jahren genutzte Zonensystem ausgedient hat. Pro Zone waren bei Einzelfahrten bisher im Vorverkauf 2,20 Euro zu bezahlen (für Wochen-, Monats- und Jahreskarten entsprechend mehr). Der Fahrpreis ergab sich aus der Anzahl der durchfahrenen Zonen, die man selbst auf Basis eines nicht ganz einfach zu lesenden Zonenplans bestimmen musste. Am 6. Juli jedoch zählt nur noch die Anzahl der zurückgelegten Kilometer. Die Fahrscheinautomaten berechnen den Preis danach. Als einziger, von der Fahrleistung unabhängiger Bereich bleibt die bisherige Kernzone 100 (Stadtgebiet Wien) erhalten.

Mit dem neuen System wird für viele Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel erstmals transparent, wie viel Leistung sie tatsächlich konsumieren. Die bisherigen Tarifzonen entsprachen dem nämlich in vielen Fällen überhaupt nicht. Wer sich den derzeit noch gültigen Zonenplan im Bereich „Service“ von der VOR-Webseite herunterlädt, dem werden bei genauer Durchsicht und in der Vergrößerung die vielen unscharfen Grenzbereiche zwischen den Zonen auffallen sowie Farbbereiche, die von einer Region weit in andere hineinreichen. Vor allem rund um Wien ist das – wenn man darauf achtet – recht gut zu beobachten.

Diese sich überlappenden Bereiche führten dazu, dass auf bestimmten Verbindungen Fahrgäste zum Teil deutlich vergünstigt unterwegs waren. Ein Beispiel, das das deutlich macht, ist die direkte Schnellbahnroute von Leobendorf-Burg Kreuzenstein bis zur Station Wiener Traisengasse (Linie S3). Aufgrund der Ausnahmeregel durchfuhren Nutzer faktisch zwei Außenzonen und einen Teil der Kernzone Wien, zahlten tatsächlich aber nur für eine Zone. Die kilometerabhängige Abrechnung der Zukunft bedeutet deshalb auch eine drastische Fahrpreiserhöhung. Was bisher für 415 Euro zu haben war (Jahreskarte), kostet ab Mittwoch nächster Woche der Entfernung entsprechend 700 Euro.

Dass das die betroffenen Kunden als ungerecht empfinden, hat auch mit dem bisherigen Unwissen über die eigenen, konsumierten Leistungen zu tun. „Die wenigsten, die sich derzeit bei uns über die für sie höheren Preise beschweren, wissen überhaupt, dass sie bisher von Sonderregelungen profitierten“, sagt VOR-Sprecherin Christina Bachmaier. Oder anders formuliert: Die tatsächlichen Kosten für diese Fahrten trugen andere. Entstanden sind die Sonderregeln einst vor allem entlang der Hauptrouten nach Wien. Die Idee dahinter: Personen, die knapp vor der nächsten Zonengrenze einsteigen, sollten davor bewahrt werden, wegen ein paar Metern „zu viel“ gleich einen ganzen Zonentarif bezahlen zu müssen. Im Laufe der Jahre wurden diese Sonderregeln offenbar immer großzügiger.

Zehn Prozent zahlen mehr

Die Eigentümer des VOR, die Länder Wien, Niederösterreich und das Burgenland, hatten als Vorgabe für die Reform verlangt, dass das Gesamtaufkommen der Einnahmen durch Fahrscheine insgesamt unverändert bleibt. Nach Angaben des Verbunds werde diese Vorgabe auch eingehalten. 80 Prozent aller Fahrgäste würden die Umstellung von Zonen- auf das Kilometersystem zumindest finanziell gar nicht bemerken. Für jene jeweils zehn Prozent, die einerseits mehr, andererseits weniger bezahlen werden, würde jedoch endlich Kostenwahrheit geschaffen.

Im Einzugsgebiet des VOR leben etwa 3,7 Mio. Menschen. Über das Jahr summiert nutzten zuletzt 1,035 Milliarden Fahrgäste Verkehrsmittel aus dem Verbund (2,8 Mio. pro Tag). Insgesamt nahmen die Verkehrsdienstleister 2015 genau 611,6 Mio. Euro durch VOR-Fahrkarten ein, die anschließend durch einen speziellen Verteilschlüssel auf die Teilnehmerunternehmen aufgeteilt wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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