Aggression vom politischen Rand

Archivbild von der Anti-Akademikerball-Demo 2014.
Archivbild von der Anti-Akademikerball-Demo 2014.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Linksextreme Gewalt ist nach dem Mordversuch bei einer rechtsextremen Demo in den Fokus gerückt. Wie gefährlich die Linke ist und wie viel Gewalt vom politischen Gegenpol ausgeht.

Wien. „Steine auf Nazis und Polizei – ein Anfang“ steht auf dem Cover der „Anarchistischen Zeitung Unruheherd“, die jüngst in Wiener Postkästen gelandet ist. In dem Blatt werden auch vier Männer als Helden gefeiert, nach denen die Polizei momentan wegen Mordversuchs fahndet. Sie stehen unter Verdacht, am 12. Juni aus dem Dachgeschoß eines Hauses einen Stein auf eine rechtsextreme Demonstration geworfen – und dabei einen Teilnehmer schwer verletzt zu haben. Der Getroffene wurde notoperiert.

Die Polizei erstattete Anzeige wegen Mordversuchs – eine politisch motivierte Tat, die es so in Österreich in den vergangenen Jahren nicht gegeben hat. Verübt offenbar von Extremisten auf der linken Seite des politischen Spektrums. Aber wer sind diese Gruppen überhaupt? Und wer von ihnen ist gewalttätig? Tatsache ist: „Die Linke“ gibt es nicht, sie ist seit Jahren tief gespalten und umfasst etliche Splittergruppen. Diese reichen von linken Studentenvereinigungen und Antifaschisten zu radikaleren marxistischen, leninistischen oder trotzkistischen Gruppen – bis zu Autonomen oder Anarchisten am äußersten linken Rand. Diese Gruppen differieren in ihrer Ideologie ebenso wie in der Wahl der Mittel, sie durchzusetzen.

 Faksimile der Juli-Ausgabe der „Anarchistischen Zeitung Unruheherd“, die in einigen Wiener Postkästen landete.
Faksimile der Juli-Ausgabe der „Anarchistischen Zeitung Unruheherd“, die in einigen Wiener Postkästen landete. (c) Faksimile

Kleine extreme Gruppen

Der Verfassungsschutz schreibt dazu im Bericht zu 2015: „Marxistisch/leninistisch/trotzkistische Organisationen agieren in der Regel nicht offen gewalttätig, stehen der Anwendung von Gewalt aber nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber.“ Aber hier muss differenziert werden, da ein Großteil dieser Gruppen wiederum Gewalt gegen Menschen ablehnt. Gewalt gegen Sachen, wie zum Beispiel das Sprühen von Graffiti oder das Einschlagen von Fensterscheiben, wird aber durchaus toleriert.

Die sogenannten Autonomen und Anarchisten – Stichwort Schwarzer Block – sehen Gewalt gegen Personen als legitimes Mittel und rufen auch dazu auf. In Österreich ist die Szene überschaubar, der Großteil befindet sich in Wien – und umfasst wohl kaum mehr als hundert Personen. Diese sind allerdings mit Gleichgesinnten im Ausland gut vernetzt – und rufen sie immer wieder zu Hilfe, etwa wenn Demonstrationen stattfinden. Die gehören zu den wenigen Situationen, in denen sich alle linken Gruppen zusammenfinden – und sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen. Und der heißt derzeit vor allem: Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Bei Demonstrationen wird ein Gutteil der Straftaten, die dem linken Spektrum zugeordnet werden, begangen – meist von nur einigen wenigen Extremen, wie das Innenministerium bestätigt.

Die Anzahl politisch motivierter Tathandlungen ist im linken Eck zuletzt von 2014 auf 2015 um fast die Hälfte von 371 auf 186 gesunken. Eine Tathandlung kann mehrere Anzeigen umfassen, 32 Prozent davon wurden in Wien begangen. Im rechten Eck sind die Tathandlungen im Vergleichszeitraum um 54,4 Prozent auf 1156 gestiegen. Gegen Rechtsextreme wurden demnach rund sechs Mal so viele Anzeigen wie gegen Linke erstattet.

Ein Gutteil der Anzeigen gegen Rechtsextreme ist dem Straftatbestand Verstoß gegen das Verbotsgesetz zuzuordnen – den es logischerweise nur auf rechtsextremer Seite gibt. Dieses Delikt wurde 2015 exakt 953 Mal angezeigt.

Vergleicht man nur die Gewalttaten, zeigt sich: Was den Straftatbestand Körperverletzung betrifft, schenken sich die beiden Gruppen wenig. In den vergangenen fünf Jahren gab es gegen Linksextreme 157 Anzeigen, gegen Rechts 164. Im Jahr 2015 waren es bei den Linken mit 13 Anzeigen aber um fast zwei Drittel weniger als 2014. Auf rechtsextremer Seite waren es vergangenes Jahr 20, 2014 waren es 19.

Bei den Straftatbeständen Gefährliche Drohung oder Nötigung geht die Schere schon weiter auseinander. Im Zeitraum von fünf Jahren gab es gegen Linke acht Anzeigen, zuletzt vier im Jahr 2015. Rechtsextreme wurden deswegen 233 Mal angezeigt, allein im vergangenen Jahr 38 Mal.

Exklusive Tatbestände

Gewalt gegen Dinge – also Sachbeschädigung – wird auf beiden Seiten häufig verübt. 872 Mal gingen Anzeigen auf das Konto der Linken (vergangenes Jahr 140 Mal), und 1404 auf das der Rechten, 289 Mal im Jahr 2015. Einige Tatbestände finden sich fast nur auf einer Seite. Verhetzung oder Waffengebrauch sind fast nur der Rechten zuzuordnen – wegen Landfriedensbruchs oder Widerstand gegen die Staatsgewalt wurden fast nur Vertreter des linken Lagers angezeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.