Der Brünnerstraßler, eine bedrohte Art

Er galt als Wein der kleinen Leute. Leicht, sauer, billig. Der Brünnerstraßler wird oft zu Unrecht als Synonym für schlechten Wein genannt. In Wahrheit war er immer ein ehrlicher Wein.

Wer heute wissen will, wie ein Brünnerstraßler schmeckt, der muss weit in den Süden fahren. In die Steiermark. Dort machen sie noch immer resche, leichte Weißweine. Und das Beste daran: Diese Weine verkaufen sich prächtig und gelten als besonders modern.

Der einzige Unterschied zum klassischen Brünnerstraßler aus dem östlichen Weinviertel ist, dass die Steirer gutes Geld für ihren Welschriesling verlangen. Diesen Grundsatz haben die Brünnerstraßler nie begriffen: dass nur gut ist, was einem selbst teuer ist. Und deshalb ist in vielen Köpfen bis heute zu Unrecht verankert: Brünnerstraßler, das ist schlechter Wein.

Vielerorts war es ein schlichter Wein. Meist bestand er aus den Sorten Welschriesling und Grüner Veltliner. Als Tischwein beim Heurigen musste er vor allem ein Attribut erfüllen: Man musste ihn in rauen Mengen trinken können. Also hatte er wenig Alkohol und eine erfrischende Säure. „Resch“ ist der herkömmliche Ausdruck. Der Brünnerstraßler war der Wein der kleinen Leute. Und die wussten schon immer ganz genau, was gut ist.

Trotzdem hat sich der Typ Brünnerstraßler in den vergangenen Jahren ziemlich rargemacht. Wein hat sich – Gott sei Dank – vom Grundnahrungsmittel zum Genussmittel weiterentwickelt. Und die Winzer entlang des alten Handelsweges produzieren längst anstatt des Basisweins für die großen Weinhändler auch absolute Spitzenweine.

Weingüter wie jenes von Roman und Adelheid Pfaffl aus Stetten zählen zu den besten Weißweinproduzenten des Landes. Ihnen ist es zu verdanken, dass der Grüne Veltliner aus dem Weinviertel mittlerweile einen wahren Siegeszug in alle Welt erfährt. Pfaffls Grüne Veltliner „Goldjoch“ oder „Hundsleiten“ haben nichts mehr mit einem Brünnerstraßler am Hut. Das sind kräftige, gehaltvolle Weine, die man ruhig auch einige Jahre lagern kann (eigentlich soll), bevor man sie zu einem besonderen Anlass trinkt. Renommiert ist auch das Weingut Taubenschuss in Poysdorf. Ein Betrieb, der es versteht, Grünen Veltliner in all seinen Facetten zu keltern.

Und dann gibt es zwischen Poysdorf und Wien junge Winzer, die richtig Gas geben. Das hat nichts mit der neuen Nordautobahn zu tun. Das hängt vielmehr mit dem wachsenden Selbstbewusstsein einer neuen Winzergeneration zusammen. Herbert Zillinger aus Ebenthal oder Manfred und Marion Ebner-Ebenauer aus Poysdorf wissen einfach, dass entlang der alten Brünner Straße große Weine reifen können.

Aber vermutlich haben auch sie, wenn man sie freundlich darum bittet, einen kleinen, feinen, reschen und feschen Welschriesling parat. Am Ende sogar im Doppler. Einen echten Brünnerstraßler, eine echte Rarität, quasi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2009)

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