Schokov: Die Schokoladenhüter

Thomas Kovazh
Thomas Kovazh(c) Michaela Bruckberger
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Sie sind klein, fein, teuer – und werden mehr. In Wien eröffnet "schokov"-Chef Kovazh ein Schokoladengeschäft. Und dann noch eines? Wie viel Luxusschokolade braucht die Stadt?

Der Sommer ist so etwas wie der natürliche Feind der Schokoladengeschäfte und Pralinenmanufakturen. Juli, August? Wer kauft da üppige Trüffeln? Mit steigenden Temperaturen sinkt der Umsatz. „Je heißer, desto schlechter“, sagt Schokoladenhändler Thomas Kovazh. Die einen, wie Kovazh' „schokov“ am Spittelberg, haben versucht, das Geschäft mit Angeboten wie „eiskalter Trinkschokolade“ anzukurbeln. Die anderen, wie die kleine „Schokoladenwerkstatt“ in der Ballgasse im Ersten, haben die Rollläden im heißen August erst gar nicht hochgezogen.

Insofern haben sie es kaum erwarten können, das Ende der Sommerferien vulgo Eisesszeit. Mit den ersten Anzeichen des Herbstes starten die Schokogeschäfte nun in ihre Hochsaison.


Platzhirsch baute um. Nicht nur, dass etwa der Platzhirsch „Xocolat“ von Werner Meisinger (Palais Ferstel) über den Sommer um- und ausgebaut hat. Die Schokohändler werden auch mehr. In Wien erweitert Kovazh die gar nicht mehr so kleine Reihe der feinen Läden um eine weitere schokov-Filiale. Am 9.September eröffnet er einen größeren, „komplett in Hochglanzweiß“ (Kovazh) gehaltenen Ableger seines Stammhauses in der Gersthofer Straße in Währing. Optisch mag sich der neue Laden vom ersten Shop unterscheiden, Das Konzept bleibt unverändert: außergewöhnliche internationale und österreichische Schokoladen von Amedei aus der Toskana (Kovazh: „Die beste Tafelschokolade der Welt“) über Claudio Corallo bis Berger aus Österreich.

Die Standortwahl ist kein Zufall. So wie er am Spittelberg die Boboklientel aus Neubau und Umgebung bedient, hofft Kovazh, dass auch die eher wohlhabenden Bewohner des 18.Bezirks seinem eher hochpreisigen Sortiment nicht ganz abgeneigt sind. Filiale zwei soll aber erst der Anfang einer groß angelegten Expansion sein. Schon seit Längerem sieht sich Kovazh nach geeigneten Standorten in den Bundesländern um. Bregenz, sagt er, sei etwa so eine Stadt mit viel Potenzial, der Onlineverkauf dorthin funktioniere gut, und schokoladenshoptechnisch könnte er dort Neuland betreten. Weiters sind Innsbruck und Graz im Gespräch – aber auch in Wien, wo seit 2006, als auch das schokov eröffnete, ein kleiner Boom im Bereich der gehobenen Schoko-Läden eingesetzt hat, plant er in den nächsten fünf Jahren sechs bis acht weitere schokov-Standorte. Jeweils in Grätzeln, deren Bewohner sich rein finanziell von seinem Werbeslogan „extraordinary chocolates for extraordinary people“ angesprochen fühlen können, also etwa im 19. oder im neunten Bezirk. Auch ein Flagshipstore in der Wiener Innenstadt ist angedacht.


Zu viel Schokolade? Wobei sich die Frage stellt, wie „extraordinary“ das Ambiente des schokov bleiben kann, wenn es davon gleich mehrere Ableger gibt. „Wir wollen“, sagt Kovazh, „trotzdem exklusiv bleiben.“ In einem großen Einkaufscenter unterzukommen, lehnt er ab. Aber braucht die Stadt nach der ersten (im europäischen Vergleich reichlich späten) Schokogeschäftewelle überhaupt so viele hochpreisige Schoko-Läden? Ist das Potenzial nicht erschöpft? Doch, findet Brigitte Ullmann, die ihre Schokoladenwerkstatt in der Ballgasse ebenfalls 2006 eröffnet hat, als der Boom mit gehobener Schokolade gerade im Werden war. Ullmann fragt sich, ob teure Schokolade „an jeder Ecke“ wirklich notwendig sei. „Also ich“, sagt sie, „würde mich das nicht trauen.“ Zwar habe sie sich einen Stock an Stammkunden aufgebaut, der ihre großteils in der eigenen Konditorei produzierten Trüffeln und Schokoladetafeln schätzt, für eine weitere Filiale sieht sie aber vorerst kein Potenzial.

Auch Wolfgang Leschanz, der frühere Demel-Geschäftsführer, denkt angesichts der schokov-Expansionspläne laut darüber nach, „ob das nicht langsam zu viele Geschäfte werden und dann keiner mehr was davon hat“. Leschanz hat vor fünf Jahren das 160 Jahre alte Knopfkönig-Geschäft ums Eck vom Graben übernommen und es in den „Schokoladekönig“ verwandelt. Mit dem Bekanntheitsgrad und den Umsätzen sei er zufrieden, aber noch eine Filiale? „Ich wüsste nicht, wo“, sagt er. Abgesehen davon, dass man das historische Ambiente des früheren Knopfladens, das seinen Schokoladekönig prägt, nicht so ohne Weiteres kopieren könnte, seien prominente Adressen wie die Kärntner Straße für kleine Geschäfte unleistbar („So viel Schokoladen kann man gar nicht verkaufen“). Und weniger frequentierte Gegenden ohne entsprechend kaufkräftige Einkäufer würden sich auch nicht rentieren. „Im 16. Bezirk braucht man so ein Geschäft gar nicht erst aufzumachen“, sagt Leschanz.

schokov-Chef Kovazh sieht sehr wohl Bedarf an mehr Luxus-Schoko-Läden. Gerade einmal zwölf Schokoladegewerbe listet das Branchenverzeichnis für Wien auf, darunter so kleine wie das schokov, aber auch große wie Manner und Pischinger. Im Vergleich zu Paris, mit seinen 120 (mindestens!) erlesenen Schoko-Läden oder auch Brüssel und Zürich sei diese Zahl für eine große Stadt wie Wien „noch gar nichts“, findet er. Außerdem sehe er die anderen Wiener Läden nicht unbedingt als Konkurrenz, da jeder eine andere Ausrichtung habe. Während er internationale und österreichische Qualitätsschokoladen verkauft, bestückt etwa Leschanz seinen Schokoladekönig ausschließlich mit handgefertigten Pralinen und Schokoladen aus seiner eigenen Manufaktur im Sechsten. Ullmann sieht das ähnlich. Konkurrenten, sagt sie, wären wir eher, „wenn wir alle die gleiche Handelsschokolade verkaufen würden“. Und da die meisten anno 2006 ungefähr zur gleichen Zeit eröffnet haben, sei die Branche insgesamt viel mehr in den Medien vertreten gewesen und somit im Gerede geblieben, sagt Kovazh, wovon alle profitiert hätten. So viel Berichterstattung hätte ein Einzelner gar nicht geschafft. „Wir haben uns damals alle gegenseitig beflügelt“, sagt auch Leschanz.

Auch außerhalb von Wien setzt einer der erfolgreichsten österreichischen Schokoladenhersteller, Josef Zotter, auf Expansion. Allerdings nicht in Österreich – „da sind wir ja schon überall vertreten“, wie Zotter sagt, der vor rund 20Jahren vom weststeirischen Bergl mit einigen wenigen handgeschöpften Schokoladen begonnen hat und mittlerweile mehr als 200 Artikel im Sortiment hat. Vielmehr drängt Zotter auf den deutschen Markt: In den nächsten Wochen eröffnet er in Essen, Frankfurt und Hamburg an prominenten Adressen kleinere Ableger seines „Zotter-Schoko-Laden-Theaters“, das jedes Jahr 160.000 Besucher in seine Manufaktur in Bergl zieht. Vor Weihnachten soll noch ein weiterer Shop in Berlin folgen.

Ein Schoko-Laden allein, in dem es schlicht diverse Schokotafeln aufgereiht zu kaufen gebe, sei heute nicht mehr genug, findet er. „Die Leute wollen nicht immer nur in ein nobles Geschäft, in denen ihnen gesagt wird, dass sie nur dunkle Schokolade essen dürfen.“ Stattdessen setzt Zotter auf Kombinationen wie „Gelber Reis mit Korinthen“ oder „Kaffeepflaume mit Speck“ und auf Entertainment. Das Schoko-Laden-Theater kombiniert Schokokostproben mit Unterhaltung wie ein kleiner Themenpark. Die Trinkschokolade wird auf einer Miniaturseilbahn durch den Shop transportiert. Geht das Entertainmentkonzept in Deutschland genau so auf, will Zotter an die 30 Filialen im Franchisesystem in Deutschland eröffnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2009)

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