1223 Schubhäftling sind heuer bereits in Hungerstreik getreten. Dabei haben sie historische Vorbilder wie Mahatma Gandhi. Die Form des passiven Widerstands kann aber auch zum Tod führen.
Ob Guantanamo-Häftlinge, Kurden in türkischen Gefängnissen, RAF-Terroristen oder Tierschützer - viele Gruppen nutzen den Hungerstreik als Form des passiven Widerstands. Allein von 1. Jänner bis 31. August 2009 sind 1223 Schubhäftlinge in Österreich in Hungerstreik getreten. Das sind laut den Zahlen des Innenministeriums rund 31 Prozent aller Personen, die sich in diesem Zeitraum in Schubhaft befanden (3923). Statistisch dauert die Verweigerung der Nahrung laut Jochen Rausch, stellvertretender Chefarzt des Innenministeriums, etwa zwölf bis 13 Tage.
Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Schubhäftlinge mit 5398 auf den bisher niedrigsten Stand. 1549 Personen davon gingen in Hungerstreik. In den vergangenen fünf Jahren war die Zahl jener, die das Essen als Widerstandsmaßnahme verweigerten, 2004 bei insgesamt 9041 Schubhäftlingen am niedrigsten (1072). Die meisten Hungerstreikenden gab es 2006 mit 2338 Personen. Damals befanden sich 8694 Menschen in Schubhaft.
Täglich ärztliche Kontrollen
Hungerstreikende werden täglich einem Amtsarzt vorgeführt und untersucht, auch an Wochenenden. Neben Gewicht und BMI-Wert (Body-Mass-Index) wird eine Harnprobe kontrolliert und Blut abgenommen, sagte Jochen Rausch, stellvertretender Chefarzt des Innenministerium.
Beurteilen muss der Amtsarzt neben körperlichen Symptomen auch die Ansprechbarkeit, die durch das Hungern in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Die täglichen Kontrollen können von den Hungerstreikenden verweigert werden, Zwangsmaßnahmen gibt es diesbezüglich nicht. Hungerstreikenden Schubhäftlingen wird bei allen drei täglichen Mahlzeiten Nahrung angeboten, betonte Rausch. Sie müssen das Essen immer aufs Neue verweigern.
Wird eine Person bei der Untersuchung aufgrund ihres Gesundheitszustandes als haftunfähig beurteilt, muss sie - sofern keine Maßnahmen zu einer Weiterbehandlung getroffen werden - frei gelassen werden, so Rausch. Möglich sei dabei theoretisch eine Überstellung in eine Klinik oder die medizinische Abteilung einer Justizanstalt.
Seit 2004 weniger als 10.000 Schubhäftlinge
Die meisten Schubhäftlinge gab es in den vergangenen Jahren 2001, es befanden sich insgesamt 17.306 Personen diesbezüglich in den Polizeianhaltezentren. 1999 waren es 16.628 Personen. Seit 2004 befindet sich die Zahlen unter der 10.000er Marke.
Laut Innenministerium soll eine Schubhaft sicherstellen, dass Verfahren und Maßnahmen wie Außer-Landes-Bringungen durchgeführt werden können. Es handelt sich um keine Strafhaft. Neben gesetzlichen Voraussetzungen sind individuelle Abwägungen zwischen dem Eingriff in die persönliche Freiheit und dem Sicherungsbedürfnis zu prüfen. Dabei stellt sich zum Beispiel die Frage nach der Gefahr des Untertauchens. Eine Schubhaft soll so kurz wie möglich dauern: Vorgesehen sind maximal zehn Monate, wenn Maßnahmen durch ein aktives Verhalten des Schubhäftlings verzögert werden.
Als Alternative zur Schubhaft kommen laut Innenministerium häufig gelindere Mittel zur Anwendung, wie etwa die Bereitstellung oder Zuweisung einer bestimmten Unterkunft sowie eine Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung bei einer Polizeiinspektion. Diese Maßnahme wird besonders bei Familien und Minderjährigen angewandt.
Von Mahatma Gandhi bis Holger Meins
Der Hungerstreik hat viele historische Vorbilder: Am erfolgreichsten war wohl Mahatma Gandhi, der dadurch einen Bürgerkrieg abwenden konnte. Dabei nimmt man jedoch ein großes Risiko auf sich: Ab drei bis vier Wochen können ernste Folgen eintreten, die sogar bis zum Tod reichen können. Zu den prominentesten Opfern zählen das IRA-Mitglied Bobby Sands sowie der Baader-Meinhof-Mitstreiter Holger Meins, die nach 66 bzw. 57 Tagen Nahrungsverweigerung starben.
Seit jeher gibt es auch Diskussion um die Zwangsernährung - vor allem ob die Ärzte zu dieser Maßnahme verpflichtet werden können. In Großbritannien wurde dies 1974 abgeschafft. Auch in Österreich ist Zwangsernährung nicht erlaubt.
(APA)