Streik: Notfallbetrieb in Wiener Spitälern

(c) Clemens Fabry
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Der heutige Streik der Wiener Spitalsärzte ist eine historische Premiere - und die logische Konsequenz eines seit Monaten anhaltenden Konflikts zwischen der Stadt und der Ärztekammer.

Wien. Wenn heute die Wiener Spitalsärzte zwischen 9 und 13 Uhr ihre Arbeit niederlegen und streiken wollen, ist das eine historische Premiere. Noch nie griffen in Wien Ärzte aus Gemeindespitälern zum letzten Mittel des Arbeitskampfs. Bis zuletzt sind die Fronten zwischen der Ärztekammer und dem Krankenanstaltenverbund (KAV) derart verhärtet geblieben, dass ein Streik die logische Konsequenz dieser Eskalation ist.

Einer Eskalation, die in erster Linie inhaltliche, aber auch persönliche Gründe hat und die Folge gegenseitiger Schuldzuweisungen, Drohungen und Beleidigungen ist. Denn Kammerpräsident Thomas Szekeres verbindet seit dem Inkrafttreten des neuen Arbeitszeitgesetzes für Ärzte Anfang 2015 eine innige Feindschaft mit KAV-Generaldirektor Udo Janßen und Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Szekeres wirft den beiden „Vertragsbruch“ und „Unfähigkeit“ vor. Umgekehrt unterstellen Wehsely und Janßen ihm, in der Ärzteschaft bewusst Unwahrheiten zu verbreiten, um sich zu profilieren und für die Ärztekammer-Wahl im Frühjahr 2017 in Position zu bringen. So haben Szekeres und Wehsely seit mehr als einem Jahr nicht mehr miteinander gesprochen.

Inhaltlicher Knackpunkt des Konflikts ist die schrittweise Streichung von 40 Nachtdiensträdern (von insgesamt rund 350) in den Wiener Spitälern. Darüber hinaus soll rund die Hälfte der restlichen Dienste in 12,5-Stunden-Schichtdienste (statt 25-Stunden-Dienste) umgewandelt werden. Diese Dienste werden von den meisten Ärzten abgelehnt, weil ihrer Meinung nach unter den vielen Dienstübergaben, bei denen es zwangsläufig zu Informationsverlusten kommt, die Patientenversorgung leidet.

„System wird kaputtgespart“

Das ist laut Ärztekammer „entgegen der Vereinbarung von 2015 ein mit der Ärzteschaft nicht abgestimmtes Vorgehen“. Kammerpräsident Thomas Szekeres: „Diese Maßnahmen sind vom KAV ohne vorherige Evaluation oder Diskussion mit den betroffenen Abteilungen beschlossen worden. Damit wird das System kaputtgespart. Denn dadurch ist eine durchgehende effiziente ärztliche Betreuung während der Nacht nicht mehr gewährleistet.“ Auch die Notfalleinrichtungen würden nicht wie ursprünglich vereinbart ausgebaut, sondern seien ebenfalls von diesen Reduktionen betroffen. „Der Verdacht, dass der KAV amateurhaft geleitet wird, verdichtet sich immer mehr.“

Der KAV weist die Anschuldigungen zurück. Durch Reduktion der Nachtdiensträder stünden für Patienten „besonders in Nachmittagsstunden deutlich mehr Ärzte zur Verfügung“. Zudem hätten weniger Nachtdienste auf die Patienten keine negativen Auswirkungen, „denn auch sie schlafen in der Regel nachts während ihrer Spitalsaufenthalte“. Für Notfälle sei weiterhin eine ärztliche Versorgung vorhanden. KAV-Generaldirektor Udo Janßen könne zwar nachvollziehen, dass die Ärzte ihre bisherigen Gewohnheiten in Sachen Arbeitszeiten und Schichtdienste nicht ändern wollten („Jede Veränderung führt zu Unbehagen“), aber aus Gründen der Effizienz seien Umstrukturierungen unausweichlich. Für die Kammer wiederum ist der Streik unausweichlich, sollten die Nachtdienstreduktionen und Schichtdienste nicht zurückgenommen werden.

Betrieb wie an einem Feiertag

Treffpunkt für den Streik, der von 9 bis 13 Uhr dauert, ist der Dr.-Karl-Lueger-Platz bei der U3-Station Stubentor. Ab 10 Uhr startet von dort ein Demonstrationszug, der über den Ring (keine Sperre, weil die Ärzte auf Nebenfahrbahnen marschieren) und die Weihburggasse zum Stephansplatz führt, wo auch die abschließende Kundgebung bis 12 Uhr stattfinden wird. Ab 13 Uhr müssen die Ärzte ihren Dienst im Spital aufnehmen. Während des Streiks wird in den Spitälern und Pflegewohnhäusern ein Notfallbetrieb aufrechterhalten – ähnlich wie an Wochenenden und Feiertagen. Nicht dringende Operationen und Ambulanztermine werden daher verschoben. Der Ärztefunkdienst (Notrufnummer: 141) wird ausnahmsweise von 7 bis 14 Uhr im Einsatz sein.

AUF EINEN BLICK

Weitere Infos:www.diepresse.comStreik. Heute, Montag, wollen die Wiener Spitalsärzte von 9 bis 13 Uhr ihre Arbeit niederlegen. Während des Streiks wird in Spitälern und Pflegewohnhäusern ein Notfallbetrieb aufrechterhalten. Bisher haben Ärzte aus Gemeindespitälern noch nie gestreikt. Inhaltlicher Knackpunkt des monatelangen Konflikts zwischen der Stadt und der Ärztekammer ist die schrittweise Streichung von Nachtdiensträdern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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