Polizei: Personalnot nach der Reform

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach 15 Jahren ist die Umstrukturierung der Wiener Exekutive fast fertig: Es mangelt an Personal – dazu soll auch noch in den nächsten Jahren ein Viertel der Beamten in Pension gehen.

Wiener Polizeidienstellen
Wiener PolizeidienstellenPresse

Wien. In der Seestadt Aspern herrscht nun Recht und Ordnung. Seit Dienstag gibt es im neuen Ortsteil in der Donaustadt eine Polizeiwachstube, in der künftig bis zu 49 Beamte arbeiten sollen. Mit dieser Eröffnung sind die größten Brocken der Wiener Polizeireform von 2014 abgeschlossen: Damals wurde zwecks Effizienz und Kostenoptimierung beschlossen, 16 Wachstuben zu schließen und sieben umzusiedeln. Drei kleinere Projekte sind noch offen: Bis Jahresende sollen in Hietzing die Wachzimmer Lainzer Straße und Speisinger Straße zu einem gemeinsamen Standort verschmolzen werden, im Frühjahr 2017 sollen in Simmering noch die Wachzimmer Kaiser-Ebersdorfer-Straße und Sängerstraße fusioniert werden. In Währing wird der Posten in der Schulgasse geschlossen.

Gleichzeitig hatte die damalige Innenministerin, Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), versprochen, 1000 neue Polizisten anzustellen. Kurz vor der Gemeinderatswahl im Oktober 2015 wurde verkündet, dass dies erreicht sei. Wien hat nun in etwa 6800 Polizisten (inklusive Sondereinheiten und Kriminalpolizei), dennoch ist die Unzufriedenheit in der Belegschaft teilweise groß.

Mehr Personal, mehr Arbeit

„Erstens wurde offenbar auf dem Reißbrett entworfen, welche Posten zugesperrt werden – und nicht überlegt, ob das sinnvoll ist“, sagt ein hochrangiger Wiener Beamte, der nicht genannt werden will. Als Negativbeispiel nennt er die Polizeiinspektion Praterstern, „die wir uns heute zurückwünschen“. „Zweitens muss man diese 1000 zusätzlichen Polizisten von mehreren Standpunkten kritisch betrachten“, sagt Harald Segall, Gewerkschaftsvorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion. Der Personalstand sei damit in etwa auf dem Niveau von 2002 – bevor Schwarz-Blau unter Innenminister Strasser (ÖVP) massive Kürzungen vorgenommen hatte, indem Polizeikomissariate zusammengelegt wurden.

Damals lebten in Wien 1,5 Millionen Menschen, heute sind es 1,8 – Tendenz stark steigend. Dem Bevölkerungszuwachs wurde demnach laut Segall bisher zu wenig Rechnung getragen. Weiters habe es zwar eine Verstärkung bei der Polizei, dafür aber Kürzungen in der Verwaltung gegeben: „Man kommt vor lauter Administration und Protokollieren gar nicht dazu, Verbrecher zu fangen“, sagt ein junger Polizist zur „Presse“. Dass es in der Verwaltung an Fachkräften mangelt, ist ein altes Problem: Nicht zuletzt deswegen gab es 2010 für ehemalige Postbedienstete monetäre Anreize, sich umschulen zu lassen. Sie sollten die Streifenpolizisten unterstützen, indem sie etwa Erstgespräche auf dem Posten führen und Schreibarbeiten übernehmen.

Tatsächlich sind heute fast alle dieser neuen Arbeitskräfte wieder aus den Wachzimmern verschwunden: „Das hat nicht gut funktioniert, den neuen Kollegen fehlte teils einfach die Ausbildung“, sagt Segall. Viele hätten aufgehört, manche seien in die Verwaltung gewechselt. Die Polizei muss in den nächsten Jahren weitere Abgänge verkraften: „In den nächsten fünf Jahren wird wohl ein Viertel der Beamten in Pension gehen“, sagt Segall – und der Nachschub reiche nicht. Der Wiener Landesvizepolizeipräsident Karl Mahrer sieht darin kein unlösbares Problem: „Es werden auf jeden Fall so viele aufgenommen, dass alle Abgänge ersetzt werden.“

Schwund durch Versetzungen

In den Wachzimmern merke man laut Segall von den angeblich vielen Neuzugängen häufig wenig: Auch deswegen nicht, weil etliche Polizisten derzeit sofort in die Bundesländer etwa zum Grenzschutz versetzt würden. Viele andere würden gleich wieder in Sondereinheiten abgezogen. „Alles, was man oben einfüllt, rinnt sofort wieder unten aus“, sagt Segall. Laut Schätzungen seiner Gewerkschaft fehlen derzeit im Straßendienst rund 30 bis40 Prozent der nötigen Beamten. Mahrer sieht das anders: „Etwa 4000 Polizisten sind in den Wachzimmern – aber ja, mit der wachsenden Bevölkerung möchte ich Personal aufstocken.“ Die Stadt Wien will das jedenfalls auch: „Wir beobachten die Situation, evaluieren dies nun und wollen gegebenenfalls Ende des Jahres mit dem Herrn Innenminister reden“, heißt es aus dem Büro von Bürgermeister Michael Häupl.

NEUE GESETZE

Waffen. Neuerungen gibt es für Polizisten auch im Hinblick auf den Waffenpass: Bisher durften Beamte in ihrer Freizeit keine Schusswaffe bei sich tragen. Weil Polizisten weltweit häufiger potenzielle Terrorziele sind, soll sich das nun ändern. Kommenden Dienstag soll dazu ein Gesetzesentwurf in die Begutachtung gehen. Bisher sprechen sich die ÖVP, die SPÖ und die FPÖ weitgehend dafür aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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