Sanierung nach 127 Jahren: Fließwasser für die Schwestern von Mayerling

 Ein Einblick, den Priorin Regina selten gewährt: der Gang zu den Zellen der elf Schwestern, die im Karmel Mayerling in „päpstlicher Klausur“ leben. Derzeit wird in Mayerling saniert. Technik, die aus 1889, dem Jahr der Gründung (und damit dem Jahr der Tragödie von Mayerling) stammt, wird ersetzt.
Ein Einblick, den Priorin Regina selten gewährt: der Gang zu den Zellen der elf Schwestern, die im Karmel Mayerling in „päpstlicher Klausur“ leben. Derzeit wird in Mayerling saniert. Technik, die aus 1889, dem Jahr der Gründung (und damit dem Jahr der Tragödie von Mayerling) stammt, wird ersetzt.(c) Stanislav Jenis
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Die Innensanierung des Karmels kostet 600.000 Euro. Leitungen, die aus dem Todesjahr Rudolfs stammen, werden nun ersetzt.

Mayerling. Eigentlich darf man hier nicht herein. Denn eigentlich, das betont Pater Karl Wallner vom Stift Heiligenkreuz, der bei der Medienarbeit hilft, immer wieder, seien die Karmelitinnen ausgesprochen zurückgezogen – Öffentlichkeit, das sei ihnen geradezu unangenehm. Priorin Regina sieht man das fast an – sie schaut genau auf die Uhr, damit die seltenen Gäste ihre Mitschwestern nicht stören. Fünf Minuten, sagt sie, dann kämen die Frauen, dann müsse Ruhe sein. Und bis dahin schaut sie darauf, dass niemand in Räume der Ordensfrauen vordringt – Hineinfotografieren gestattet sie ausnahmsweise.

Schließlich geht es um eine gute Sache – in diesem Fall um Geld, das die Schwestern dringend brauchen: Derzeit wird das Karmel (so nennt man das Kloster der Karmelitinnen) Mayerling innen saniert, unter anderem werden feuchte Wände trockengelegt, eine Pellets-Heizung wird eingebaut, die Schwestern bekommen fließendes Wasser in den Zellen. Rund 600.000 Euro kosten die Arbeiten, die bis 2017 dauern. Die Sanierung sei dringend notwendig, denn seit knapp 100 Jahren verfällt das Kloster, in dem aktuell elf Schwestern leben. Das 100. Todesjahr des Ordensstifters ist auch ein Anlass, um auf die Geldnot aufmerksam zu machen; am 21. November, dem 100. Todestag von Kaiser Franz Joseph, findet auch ein Stifterrequiem statt.

Kaiser Franz Joseph ließ das damalige Jagdschloss Mayerling unmittelbar nach dem Tod von Thronfolger Rudolf und Mary Vetsera am 30. Jänner 1889 in ein Kloster umwandeln. An Stelle des damaligen Eckzimmers, des Schauplatzes der Tragödie, in dem die beiden Leichen gefunden wurden, entstand die Kirche. An der Stelle des damaligen Bettes steht der Altar. Noch im Todesjahr des Thronfolgers, im Oktober, zogen die ersten Karmelitinnen ein. Heute ist Mayerling das einzige vom Kaiser gestiftete Kloster, das noch besteht. Bis 1918 wurde es von den Habsburgern erhalten, auch Kaiser Franz Joseph soll regelmäßig gekommen sein, um für seinen Sohn und Mary Vetsera zu beten. „Seit sie ohne Unterstützung des Kaisers leben“, so Pater Karl Wallner, „ist das Karmel quasi verfallen.“

Die Tragödie als Grundlage

Die Tragödie von Mayerling ist aber noch heute quasi die Lebensgrundlage des Ordens. Seit den 1960er-Jahren lebt dieser vor allem vom Tourismus, sagt Pater Wallner. In den USA oder in Japan sei die Geschichte von Mayerling viel bekannter als hierzulande. Und schon 2014, aus Anlass des 125. Todesjahres Rudolfs und Mary Vetseras und der Gründung des Karmels, wurde der Außenbereich neu gestaltet, um den Konvent als Touristenattraktion zu erhalten.

Damals entstanden um 1,5 Mio. Euro (und auch mit Förderungen des Landes) ein neues Besucherzentrum mit Ausstellungsbereich, ein Shop mit Foyer, eine Kerzenkapelle und ein Parkplatz. Auch die Schauräume wurden saniert. Nun ist nach dem touristischen Bereich auch der Wohnbereich der Ordensfrauen dran. Dort stammt die Technik, die bleiernen Wasserleitungen etwa, noch aus dem Jahr 1889, wie Architekt Friedrich Pühringer erklärt: „Man merkt, dass das vom Kaiserhaus gebaut wurde, die Technik war für die damalige Zeit sehr modern, die Substanz ist gut.“

Aber nach 127 Jahren ist eine Sanierung dringend nötig. Bleileitungen sind heute verboten, die Wände seien so feucht, dass in den Schränken Bücher schimmeln, und die Waschbecken in den Zellen, die nun installiert werden, bezeichnet Priorin Regina „wirklich als ein Geschenk“ – schließlich haben sich die elf Frauen bisher aus Plastikschüsseln auf dem Boden gewaschen. Wie das Leben überhaupt ein einfaches ist. Die Frauen beten, wie das vom Kaiser vorgesehen war – „aber nicht nur für Rudolf und Mary, sondern für alle unglücklichen Menschen“, sagt Pater Wallner. Auch sonst leben die Schwestern äußerst zurückgezogen.

Klosterleben als Radikalität

Proirin Regina beschreibt einen Tagesablauf, der von morgens bis abends aus Arbeit und Gebet besteht. „Unser Konvent ist lebendig und jung“, sagt sie. Drei junge Frauen leben in Mayerling derzeit in Ausbildung. Was zieht die jungen Frauen ins Kloster? „Es ist schon auch diese Radikalität. Wir leben nicht halb weltlich, halb im Kloster, sondern schenken das ganze Leben Gott“, sagt die Priorin, „das muss man schon aushalten.“

Immerhin gibt es keine Besuche außerhalb des Klosters, keine Pausen vom Klosterleben, „Familie, Freunde, Beruf, Freiheit, das gibt man auf, das spürt man schon“, sagt sie, die mit 23 Jahren eingetreten ist. Nachsatz, lachend: „Aber zum Zahnarzt gehen wir, so normal sind wir schon noch.“ Überhaupt, sagt sie, „leben wir hier sehr glücklich. Niemand redet uns ein, was wir nicht alles brauchen würden.“ Die Ordensberufung sei für sie „das Geschenk meines Lebens“. Dass die Karmelitinnen mit ihrem „programmatischen Aussteigertum“, wie es Pater Wallner nennt, in einer Touristenattraktion leben – und die Öffentlichkeit brauchen – sei ein Paradoxon.

Die Schwestern, so die Priorin, störe das aber nicht. Auch kommen immer wieder Gäste in einen Besuchsraum – etwa um um Gebete zu bitten. Und seit die Arbeiten laufen, ist das mit der Ruhe und Abgeschiedenheit ohnehin nicht mehr so streng, täglich sind Arbeiter in den Räumen unterwegs, die selbst Ordensmänner selten betreten. „Es ist eine päpstliche Klausur, auch ich darf da nur hinein, wenn der Kardinal zu Besuch ist. Aber dann gibt es dafür Schokoladenkuchen“, sagt Pater Wallner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2016)

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