Harald Gremel: Der Kinderpornojäger

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Harald Gremel ist einer von drei Spezialisten des Bundeskriminalamts, die Produzenten und Kosumenten von Kinderpornos verfolgen: Was er dabei sieht, welche Menschen er trifft – und warum er die Arbeit trotzdem gerne macht.

Viele Wochen lang hatten sich die Männer und Frauen der Abteilung für Kapitalverbrechen und Sittlichkeitsdelikte im Bundeskriminalamt auf diesen Tag vorbereitet. Trotzdem stritt der Verdächtige bis unmittelbar vor Beginn der Durchsuchung einer schäbigen Mehrzimmerwohnung in Wien zumindest die schwersten Vorwürfe noch ab. Ja, er habe sich auf seinem Computer kinderpornografisches Material angesehen, aber nein, erstellt hätten es andere. Lange mussten die Beamten nicht suchen, um ihm das Gegenteil nachzuweisen.

Der noch laufende PC des Mannes aktivierte nach einigen Minuten der Inaktivität gerade die Fotogalerie des Bildschirmschoners. Darauf zu sehen: Der Verdächtige, sein erigiertes Geschlechtsteil und ein Kind.

Mit Bildern und Menschen wie diesen hat Harald Gremel tagtäglich zu tun. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen ist der 41-Jährige die Speerspitze der Republik im Kampf gegen Kinderpornografie. Die kleine Abteilung, die ausschließlich Vergehen und Verbrechen nach Paragraf 207a Strafgesetzbuch (pornografische Darstellung Minderjähriger) verfolgt, befindet sich in einem fensterlosen Korridor im vierten Stock des Bundeskriminalamts in Wien-Alsergrund. Eine Tür weiter arbeitet die „Soko Kampusch“ an Akten, deren Inhalt die Öffentlichkeit nur allzu gerne kennen würde. Jenes Beweismaterial, das Gremel und seine Kollegen in ihren Büros unter Verschluss halten, will kaum jemand freiwillig sehen.


Motiv: Leid verhindern. Vor vier Jahren hat sich der Experte für Geldwäsche dazu entschlossen, Konsum und Produktion von Kinderpornos zu verfolgen. Weil er etwas bewegen wollte, sagt der zweifache Familienvater. Letztendlich war es seine Frau, die ihn dazu ermutigte, nach „diesen Leuten“ zu fahnden und dadurch möglichst viel Leid zu verhindern. Und zu verhindern gibt es viel.

Mit dem Siegeszug des Internets hat sich das Angebot für Pädophile vervielfacht. Weltweit, so ein Bericht der UNO, wird mit Kinderpornografie mehr Geld umgesetzt als mit illegalem Waffenhandel. Die Grundlage für die Schätzung ist jedoch ebenso unklar wie Medienberichte, die den globalen Markt auf 18 Milliarden Dollar beziffern. Valide Indikatoren für das Ausmaß des Problems gibt es nur wenige. Im Vorjahr gingen bei der Meldestelle für Kinderpornografie (meldestelle@interpol.at) in Österreich 5238 Hinweise ein. Um 70 Prozent mehr als 2007. Aber nicht alle Meldungen führen zu Anzeigen. 2008 waren es 844, 2004 noch 99. Anzeigen gegen Produzenten sind seltener. Zuletzt waren es 18, die Jahre davor 14, 18 und 12. Und dabei dürfte es sich nur um die Spitze des Eisbergs handeln. Aktiv gesucht wird in Österreich nach den Pornoringen nämlich nicht. Die dünne Personaldecke lässt nur die Verfolgung von Hinweisen zu. In der Schweiz, wo in einer vergleichbaren Abteilung statt drei gleich 16 Beamte tätig sind, ist das anders. Meistens wird das Material über Foren und das Usenet kostenfrei unter Sammlern getauscht. Pädophile, die selbst Fotos und Videos erstellen und so Kindesmissbrauch zum Geschäft machen, vertreiben ihre Ware nach wie vor über den Postweg, sagen Gremels Kollegen vom Landeskriminalamt Niedersachsen. Das sei sicherer. Nur selten begehen solche Täter den Fehler, im Internet, das alles andere als anonym ist, mit ihren Aktivitäten zu prahlen.


Erfolge geben Kraft. Die erst vergangene Woche beendete Aktion „Geisterwald“ nahm so ihren Ausgang. Neben unzähligen Konsumenten machten Gremel und seine Leute hierzulande gleich drei Produzenten dingfest. Männer, die ihre eigenen oder die Kinder anderer vergewaltigten, davon Fotos und Videos anfertigten und Gleichgesinnten zur Verfügung stellten. Einer von ihnen, ein Fleischhauer aus Wien, hatte sich in einem Forum damit gebrüstet, von einem seiner Stiefkinder soeben einen „geblasen“ bekommen zu haben. Das nächste werde er demnächst „öffnen“. Zumindest dazu kam es dank der raschen Festnahme nicht mehr.

„Es sind Situationen wie diese, in denen in mir das Jagdfieber erwacht“, sagt Gremel. Und ja, die Emotionen, die dabei zwangsläufig entstünden, würden dazu führen, dass man sich besonders bemühe. Sind die Täter schließlich überführt, knallen im vierten Stock des Bundeskriminalamts auch einmal die Sektkorken. „Über Erfolge freuen wir uns ganz bewusst. Die Gewissheit, weiteres Leid verhindert zu haben, führt dazu, dass wir unsere Arbeit trotz alledem gerne machen.“

Einfach ist die Arbeit der Pornojäger trotz des idealistischen Zugangs nämlich nicht. Eine ihrer Aufgaben ist es, Beweismaterial zu sichten. Das ist nötig, um das Ausmaß einer Straftat bewerten zu können, um zu erfahren, ob ein Verdächtiger Konsument, Produzent oder beides ist. Der Anblick missbrauchter Kinder, vom Neugeborenen bis zum Jugendlichen, zerrt an den Nerven.


Monster Mensch. Andere Extremsituationen sind die Einvernahmen der Täter. Während Gefühle nach außen verboten sind, kocht es dabei innerlich in den Beamten. Und immer wieder ist Gremel überrascht, wie hilflos und schüchtern die den Kindern gegenüber so brutalen Täter in der Realität sind. „Als wir die Kommentare des Fleischhauers im Internet lasen, stellten wir uns ein Monster vor. Als wir ihn dann von Angesicht zu Angesicht sahen, konnten wir nicht glauben, dass das der gleiche Mann ist.“

In die Abteilung kommt daher nur, wer charakterlich stark ist, wer familiär, im Freundeskreis und im Berufsleben mit beiden Beinen im Leben steht. Im Bundeskriminalamt nennen sie es das Dreibein, das den Beamten den nötigen Halt geben soll. Nebenher gibt es auf Wunsch psychologische Hilfe. „Niemand hier will sich den ganzen Tag Fotos von Missbrauchten ansehen“, sagt Gremel. Entsprechend groß ist daher sein Respekt für jene Kollegen aus den Landeskriminalämtern, die die PC-Auswertungen machen und sich durch Hunderttausende Dateien klicken müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2009)

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