Die Grippewelle ist voll ausgebrochen

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Die Epidemie hat früh begonnen. Während der Schulferien dürfte sie stagnieren, danach werden die Kinder zu Motoren der Ausbreitung. Der Höhepunkt wird für Mitte Jänner erwartet.

Wien. Das subjektive Gefühl täuscht nicht, dieses „Es geht gerade wieder was um“. Auch die Zahlen des Departments für Virologie an der Medizinischen Universität Wien sind eindeutig – das Land befindet sich mitten in jenem Zustand, der als Grippewelle bezeichnet wird. Vergangene Woche wurde sie bereits ausgerufen, weil die Zahl der Neuerkrankungen mit 9000 allein in Wien deutlich angestiegen war. Und der Trend setzt sich nun auch nach Weihnachten fort.

1 Ist es ungewöhnlich, dass die Grippewelle so früh beginnt?

Zuletzt wurde im Jahr 1999 die Grippewelle schon vor Weihnachten ausgerufen. In der vergangenen Saison war es erst in der fünften Kalenderwoche des Jahres 2016 so weit. Eine wissenschaftliche Erklärung dafür, warum es manchmal früher, manchmal später losgeht, haben die Experten der Medizinischen Universität nicht.

2 Ist die Grippewelle bereits auf ihrem Höhepunkt angelangt?

Nein. Denn über die Weihnachtsferien gibt es üblicherweise eher eine Stagnation, sagt Virologin Monika Redlberger-Fritz. Erst mit dem Start von Schule und Kindergarten erfüllen die Kinder ihre Rolle als Motoren der Ausbreitung. Eine rasante Zunahme der Erkrankungszahlen steht also voraussichtlich erst nach den Heiligen Drei Königen an. Für Mitte Jänner wird dann der Höhepunkt erwartet, ehe die Zahl der Erkrankungen wieder zurückgeht. Insgesamt dauert eine Grippewelle im Schnitt acht bis zwölf Wochen.

3 Wie wird eine Grippewelle überhaupt gemessen?

Das Department für Virologie der Med-Uni Wien bekommt wöchentlich Nasen-Rachen-Abstriche zugeschickt, die freiwillige Meldeärzte von Patienten entnehmen, deren Krankheitsbild auf einen grippalen Infekt oder eine Grippe hindeutet. Anhand dieser Meldungen lässt sich analysieren, wie stark sich das Virus ausbreitet. Derzeit sind etwa 70 Prozent aller Einsendungen positiv. Mit einem ähnlichen System von Meldeärzten erarbeiten Wien und Graz wöchentlich die Zahl der Neuerkrankungen per Hochrechnung. Der Schwellenwert liegt an sich bei 10.000 Erkrankungen, doch obwohl er in Wien in der Kalenderwoche 50 bei 9000 lag, riefen die Virologen die Grippewelle aus – weil es anhand ihrer Daten einen Beweis für die epidemische Ausbreitung des Virus gegeben habe. (Die Daten für die Kalenderwoche 51 werden erst heute, Mittwoch, bekannt gegeben.)

4 Um welchen Virustyp handelt es sich bei der heurigen Welle?

Momentan sind fast alle Viren, die bei den Virologen der Med-Uni Wien erfasst werden, vom Typ A(H3N2) – dieser Subtyp dominiert heuer in ganz Europa. Vom Krankheitsbild her, sagt Monika Redlberger-Fritz, zeigt dieses Virus vor allem bei älteren Menschen einen sehr schweren Krankheitsverlauf. Es könne zu Komplikationen kommen, etwa Mittelohr- oder Lungenentzündungen. Zum Vergleich: Influenza vom Typ B trifft eher Kinder schwer. Der Typ A(H1N1)pdm09, der in den vergangenen Jahren unter dem Namen „Schweinegrippe“ vermehrt im Umlauf war, wurde heuer nur in verschwindend geringer Zahl festgestellt. „Welcher Typ dominiert“, sagt Redlberger-Fritz, „wechselt sich alle paar Jahre ab.“

5 Sind auch noch andere Krankheitserreger stark im Umlauf?

Zuletzt verzeichneten die Virologen etwa einen starken Anstieg der Durchfallerkrankungen mit Noroviren. Diese sind, so wie die Grippe, typisch für diese Zeit – vor ihrer Entdeckung wurden die von ihnen ausgelösten Symptome auch als „winter vomiting disease“ bezeichnet. Laut Redlberger-Fritz ist diese Welle, die Anfang Dezember besonders stark war, aber schon am Abebben. Abgesehen davon gibt es natürlich auch noch den normalen grippalen Effekt (s. Info-Kasten). Mit dem Wetter hat all das natürlich auch zu tun – weil Menschen im Winter eben mehr Zeit gemeinsam in Räumen verbringen. Aber auch, weil Viren bei Kälte und Trockenheit länger an Oberflächen überleben und sich auf diese Art besser weiterverbreiten können.

Auf einen Blick

Grippe oder grippaler Infekt? Die Grippe wird durch Influenzaviren ausgelöst und bricht plötzlich aus. Die Symptome sind Schüttelfrost, hohes Fieber, Gliederschmerzen, Husten, Abgeschlagenheit, aber kein Schnupfen. Der grippale Infekt wird durch Rhinoviren ausgelöst, wobei die Krankheit nicht plötzlich, sondern schleichend beginnt und mit Schnupfen, Halsschmerzen und ein bisschen Fieber einhergeht. Man kann auch beides haben.
Wie schütze ich mich? Sowohl die Grippe als auch der grippale Infekt wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Zur Vorbeugung wird neben der Grippeimpfung (am besten Ende Oktober oder Anfang November) empfohlen, sich regelmäßig die Hände zu waschen, sich nicht in den Mund oder ins Auge zu fassen und sich beim Husten nicht die Hand vorzuhalten, sondern in den Ellbogen zu husten. So wird das Ansteckungsrisiko für andere reduziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2016)

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