Verschwunden. Die Justizflucht von Olympiasieger Peter Seisenbacher dauert an. Sein Anwalt sagt, auch er stehe vor einem Rätsel, will das Mandat aber nicht zurücklegen.
Die ganze Angelegenheit wird immer grotesker: Peter Seisenbacher, Österreichs zweifacher Judo-Goldmedaillengewinner bei Olympischen Spielen (Los Angeles 1984, Seoul 1988), bleibt auch im neuen Jahr spurlos verschwunden. Für den Grazer Anwalt des früheren Weltklasse-Kampfsportlers, Bernhard Lehofer, ergeben sich (nach eigenem Bekunden) immer mehr Fragezeichen. Trotzdem will er seinem prominenten Klienten die Treue halten: „Ich lege das Mandant sicher nicht zurück. Ich bin nicht beleidigt.“
Lehofer weiter: „Ich kenne ihn seit meiner Kindheit, er war ein Judoidol von mir.“ Lehofer war selbst 30 Jahre lang Judoka. Nun aber wisse er nicht einmal, in welchem Land sich Seisenbacher aufhalte. Allerdings weist der Anwalt medial kolportierte Spekulationen, wonach Seisenbacher nur bis zu den Olympischen Spielen in Rio, also bis Sommer 2016, der Trainer des Judoverbandes von Aserbaidschan gewesen sei, zurück. „Der Peter war bis zuletzt Verbandstrainer in Aserbaidschan."
Einsilbige Wiener Strafjustiz
Die Justiz macht derzeit keine besonders gute Figur. Vor dem Missbrauchsprozess, zu dem der 56-jährige Wiener am 19. Dezember einfach nicht erschienen war, hatte sie noch erklärt, es gebe keinen U-Haft-Grund; nichts spreche dagegen, dass Seisenbacher als freier Mann von Baku nach Wien zur Verhandlung anreise. Seither heißt es immer gleichlautend, es gebe keine Neuigkeiten, man habe von dem Angeklagten „nichts gehört“.
Zuletzt hatte das Straflandesgericht Wien auf „Presse“-Anfrage die Verhängung eines Haftbefehls ausdrücklich verneint. Dennoch laufen offenbar hinter den Kulissen Fahndungsmaßnahmen, um den Aufenthaltsort des Ex-Athleten herauszubekommen. Immerhin drohen im Falle eines anklagekonformen Schuldspruchs bis zu zehn Jahre haft.
Seisenbacher wird vorgeworfen, zwischen 1997 und 2004 zwei Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Beide Opfer sollen Schützlinge des nunmehrigen Angeklagten gewesen sein. Sie trainierten in einem von Seisenbacher geleiteten Wiener Judoklub. Das erste Opfer war erst elf Jahre alt, als zu geschlechtlichen Handlungen gekommen sein soll. Das zweite Mädchen war, so die Vorwürfe, 13 Jahre alt. Seisenbacher hat sich zu den Vorwürfen bisher nicht öffentlich geäußert. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
Anwalt Lehofer setzt nun auf Abwarten. „Er hat meine Daten, er kann sich jederzeit melden.“ Zu der Frage, ob er nicht im Laufe der Zeit immer eher damit rechnen müsse, dass ein internationaler Haftbefehl gegen seinen Klienten ergeht, wollte der Anwalt nichts sagen. (m. s.)