Keine Therapie außerhalb der Städte

Einstiegshürden drängen Mediziner vom Markt. Minister will gegensteuern.

Wien (awe). Über 10.000 suchtkranke Österreicher beziehen ihre Drogen oder besser, den medizinisch und sozial deutlich besser verträglichen Ersatz dafür, inzwischen vom Arzt. Drogenersatztherapie (auch Substitution genannt) heißt die Behandlungsform, die schon viele Patienten von der Straße zurück in ein mehr oder weniger geregeltes Leben geführt hat.

Das Problem: Insbesondere in ländlichen Regionen boten zuletzt immer weniger Ärzte die Therapie mit Medikamenten an, die die Betroffenen vom Heroin, dem Schwarzmarkt, und damit auch von der Begleitkriminalität abbringen soll. Das soll sich ändern.

Vor zwei Jahren erst erging aus dem Gesundheitsministerium eine Verordnung, die Ärzten, die Patienten in Ersatztherapie nehmen wollten, eine verpflichtende Fortbildung im Ausmaß von 40Stunden zuzüglich regelmäßiger Weiterbildung vorschrieb. Was gut gemeint war, erwies sich teilweise als Bumerang. Ärzte aus abgelegenen Regionen, die oft nur zwei, drei oder wenig mehr Drogenpatienten betreuten, war dieser Aufwand zu viel. Ganze Landstriche waren plötzlich ohne Therapieangebot für Süchtige. „Im Bezirk Reutte gibt es inzwischen keinen einzigen Arzt mehr“, sagt Karl Nemec, substituierender Allgemeinmediziner aus Innsbruck. In Oberösterreich ging die Zahl der behandelnden Ärzte von 200 auf 30 zurück. Die Folge: Ärzte wie Nemec wurden von den plötzlich „frei“ gewordenen Patienten anderer regelrecht überrannt. Für andere Patienten war der weite Weg in die Städte keine Option – sie fielen aus der Therapie und landeten wieder bei den illegalen Drogen.

Entlastung für Wien?

Das Gesundheitsministerium will darauf nun reagieren und die erst zwei Jahre alte Verordnung erneut ändern. Die 40-stündige Sonderausbildung sollen nur noch jene machen müssen, die neue Patienten in ein Ersatzprogramm einstellen. Ärzte, die bereits eingestellten Patienten die Medikamente nur weiterverschreiben, sollen mit sechs Stunden Grundausbildung und sechs weiteren Stunden jährlicher Fortbildung auskommen.

Der Bundesdrogenkoordinator des Gesundheitsministeriums, Franz Pietsch, glaubt, das Angebot in den abgelegenen Regionen Österreichs so wieder zu verbessern.

Vor allem sein Wiener Kollege Michael Dressel (siehe auch Interview oben) erhofft sich dadurch eine Entlastung. Die Hauptstadt ist es nämlich, die mit 7000 Patienten die überwältigende Mehrheit aller Eingestellten betreut. Viele davon stammen aus den Bundesländern.

Ebenfalls neu geregelt werden soll die Verschreibepraxis von Beruhigungsmitteln vom Typ der Benzodiazepine (der Öffentlichkeit ist der Missbrauch durch die bläuliche Verfärbung der Lippen bei Süchtigen bekannt; Anm.). Die neue Verordnung, die in den nächsten Monaten in Kraft treten wird, soll verhindern, dass sich Suchtpatienten, wie derzeit häufig üblich, bei unterschiedlichen Ärzten beliebig viele Pillen auf Rezept verschreiben lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2009)

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