Eine Gruppe junger Flüchtlinge aus Afghanistan soll während der Neujahrsfeiern in Innsbruck 18 Frauen sexuell belästigt haben. Der Polizeichef stellt für ähnliche Veranstaltungen nun Videoerfassung aller Besucher in Aussicht.
Innsbruck. Nahezu im Stundentakt meldeten sich am Neujahrsmorgen bei der Innsbrucker Polizei Frauen, die in der Silvesternacht Opfer von sexuellen Belästigungen geworden waren. Etwas mehr als eine Woche später scheinen die Geschehnisse von damals – zumindest großteils – geklärt: Als dringend tatverdächtig gelten für die Exekutive sechs Afghanen im Alter zwischen 18 und 22 Jahren. Nach zwei weiteren bisher unbekannten Männern wird gefahndet.
Die Ereignisse zum Jahreswechsel hatten landesweit für Aufsehen gesorgt, weil die Feiern nach den Massenübergriffen des Vorjahres in Köln unter besonderer Beobachtung standen. „Und aus diesem Grund werden wir aus den Geschehnissen auch unsere Schlüsse für die Zukunft ziehen“, sagt Innsbrucks Stadtpolizeikommandant, Martin Kirchler, zur „Presse“.
Nach Angaben des Ermittlungsteams waren es von den Opfern und ihren Begleitern angefertigte Fotos und Videos, die zur Ausforschung der Männer führten. Ein Mitarbeiter einer Flüchtlingsunterkunft habe so einen der mutmaßlichen Täter wiedererkannt. Mittels Befragungen und Umfeldrecherchen stießen die Polizisten auf die weiteren Männer. Es sei jedoch möglich, dass noch zwei bisher nicht identifizierte Personen zur Gruppe gehören.
In Innsbruck verabredet
Nach Angaben der Innsbrucker Behörden haben alle Tatverdächtigen im weitesten Sinn mit Asylverfahren zu tun. Präzisere Angaben dazu wollte die Polizei nicht machen. Nach „Presse“-Recherchen befinden sich vier der sechs Männer in laufenden Verfahren, einer dürfte sich illegal in Österreich aufhalten. Ein weiterer genießt subsidiären Schutz, das bedeutet, dass ihm kein Asyl im Sinne der Flüchtlingskonvention zusteht, er aber auch nicht abgeschoben werden kann. Bis auf ein Mitglied der Gruppe bestreiten alle, an den zur Last gelegten Taten beteiligt gewesen zu sein. Weil die Schwere der angezeigten Delikte (sexuelle Belästigung, geschlechtliche Nötigung) für die Verhängung der Untersuchungshaft nicht ausreicht, wurden alle Verdächtigen auf freiem Fuß angezeigt.
Derzeit sieht es laut Ermittlungsstand so aus, als ob sich die Männer, die in unterschiedlichen Bezirken Tirols untergebracht sind, für die Silvesternacht in Innsbruck verabredet hätten. Sie reisten individuell an, trafen sich in der Stadt und mischen sich anschließend unter die zahlreichen Leute.
Zu den Übergriffen kam es im dichten Gedränge vor der Bühne auf dem Marktplatz und am Herzog-Otto-Ufer. Dabei dürften die Männer gleichzeitig auf kleinere Gruppen von Frauen losgegangen sein. „Wir haben jedoch keine Hinweise darauf, dass die Taten im Vorfeld geplant wurden oder die Männer vor Ort so vorgingen, dass die einen die Opfer festhielten, während die anderen sie unsittlich berührten“, so Kirchler.
Künftig alle Besucher auf Video
Innsbrucks Polizeichef will die Vorfälle der Silvesternacht zum Anlass nehmen, um für künftige Großveranstaltungen über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen nachzudenken. „Darunter sind auch schwerwiegende Eingriffe wie Videoaufzeichnungen an sämtlichen Zugängen zu einem Veranstaltungsort“, präzisiert Kirchler. Gemeinsam mit verstärkten Identitätskontrollen könnten so „alle Besucher dokumentiert werden, die ein Event wie eine Silvesterfeier besuchen“.
In Berlin wurde das dieses Jahr bereits ganz ähnlich organisiert. Auf dem Wiener Silvesterpfad, der kein geschlossenes System darstellt, waren 19 Kameras montiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2017)