Problematische Communitys im Visier

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Symbolbild.(c) APA/BARBARA GINDL
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In einer albanischen Moschee hat der nunmehrige Hauptverdächtige Lorenz K. Kontakte geknüpft. Laut Verfassungsschutz entspringen Radikalisierte fast immer denselben wenigen Migrantengruppen.

Wien. Der 17-jährige Lorenz K., der einen Bombenanschlag auf Wiens U-Bahn geplant haben soll, gilt mittlerweile als Gefolgsmann der Terrormiliz IS. Sein Umfeld wird derzeit genau durchleuchtet (siehe Artikel oben) – auch Bruder und Vater, mit denen der Österreicher mit albanischen Wurzeln in Neunkirchen aufgewachsen ist, wurden bereits einvernommen.

Ermittelt wird auch rund um eine Moschee, die in erster Linie von Gläubigen albanischer Abstammung frequentiert und schon länger vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Aus Sicherheitsgründen will die Polizei nicht, dass die Adresse öffentlich wird – klar ist aber: Von hier aus hat der Mann Kontakte zu radikalen Islamisten geknüpft.

Wie in vielen Fällen rund um Sympathisanten der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) oder ähnlicher Gruppierungen wird nun der Ruf laut, die Islamische Glaubensgemeinschaft IGGiÖ solle sich distanzieren. Sie macht das meist umgehend und bewirbt ihre Deradikalisierungsmaßnahmen – nur dass diese die gefährdeten Jugendlichen oft nicht erreichen.

Nicht alle unter einem Dach

Dafür muss man die Struktur verstehen: Die IGGiÖ steht als Dachorganisation für verschiedene Moscheevereine, dominiert von türkischen Organisationen. Es finden sich auch bosnische oder arabische Vereine. Es gibt allerdings auch Moscheen, die nicht mit der IGGiÖ zusammenarbeiten – darunter solche mit extremistischer Ausrichtung. Einigen von ihnen – der „Verfassungsschutzbericht 2015“ nennt vor allem tschetschenische, bosnische oder albanische Moscheen – entspringen die meisten Radikalisierten.

Warum gerade Jugendliche aus diesen Communitys zur Radikalisierung neigen, muss differenziert betrachtet werden. Einige gemeinsame Nenner gibt es aber: etwa, dass Ursprungsländer von langen, blutigen Kriegen noch heute arm und zerrüttet sind.

Ebenso gemein ist den Communitys, dass das Phänomen der ausländischen Kämpfer kein neues ist: Schon in den 1990er-Jahren machten sich in Österreich lebende Bosnier auf, um am Wochenende an den Balkan-Kriegen teilzunehmen. Tschetschenen engagierten sich zwar zuletzt gern in Syrien, kämpften aber auch in der Ukraine gegen den Erzfeind Russland. Auch von hier lebenden Albanern weiß man, dass sie in den Kosovo als militärische Unterstützung gegen Serbien geschleust wurden.

Wie sehr diese alten Feindschaften nach wie vor bestehen, zeigte etwa zuletzt das EM-Qualifikationsspiel Serbien gegen Albanien in Belgrad 2014, als es in vielen Städten Europas, auch in Wien, zu Ausschreitungen kam. Als letzte Zutat für eine explosive Mischung kann noch der massive salafistische Einfluss Saudiarabiens genannt werden, das in diesen Heimatländern Moscheen errichtet.

Als „Problemcommunity“ Nummer eins werden gern die Tschetschenen genannt. Noch vor wenigen Jahren war dies aber jene Gruppe, aus der der Terrorverdächtige stammt: die Albaner. Sie dirigierten den Drogen- und Waffenhandel in Wien. „Es brauchte intensive Ermittlungen und viel Sozialarbeit, bis wir das in den Griff bekommen haben“, sagt ein Ermittler zur „Presse“. Nun werde es in der Community wieder unruhiger – wegen Radikalisierungen.

Generell ist die Zahl jener, die für den IS nach Syrien ausreisen wollen, seit 2015 stark rückläufig – das heißt nicht, dass es weniger potenzielle Terroristen gibt. Der IS hat dazu aufgerufen, sich in den Heimatländern zu engagieren. Ein Ruf, der nun in Wien offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2017)

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