800 Sicherheitskräfte, 16 Hausdurchsuchungen, 14 Festnahmen: Behörden zerschlugen in Graz und Wien ein seit 2015 observiertes Netzwerk von Anhängern des sogenannten Islamischen Staats (IS).
Die Mitglieder eines islamistisch-salafistischen Netzwerks haben offenbar geplant, in Österreich eine Art Austro-Kalifat zu etablieren. Am Donnerstagmorgen rückten in Graz und Wien deshalb 800 Polizisten aus, um die Drahtzieher der schon länger beobachteten Gruppierung festzusetzen. Die Früchte der bald zwei Jahre andauernden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Graz waren sozusagen reif.
Die Ernte: 14 Festnahmen, darunter auch drei Frauen und eine Hand voll Prediger. Im Rahmen von 16 Hausdurchsuchungen, unter den Objekten befinden sich auch zwei Vereinslokale islamischer Vereine, wurden zudem 140 digitale Datenträger sichergestellt, die die Forensiker des Staatsschutzes nun auswerten.
Dem harten, insgesamt acht Personen ausmachenden Kern der Verdächtigen wirft die Staatsanwaltschaft neben dem Bekenntnis zum sogenannten Islamischen Staat (IS) und der Schaffung einer kriminellen Vereinigung auch die Bildung einer staatsfeindlichen Verbindung vor. Es besteht der dringende Verdacht, in Österreich einen islamistisch geprägten Parallelstaat geplant zu haben. Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, sprach wörtlich von einem „Gottesstaat“.
40 Jihadisten rekrutiert
Die Gruppierung soll bisher nicht weniger als 40 Personen dazu überredet haben, in ihrem Namen in den sogenannten Jihad zu ziehen. Im Fall des nicht rechtskräftig verurteilten Islamistenpredigers Mirsad Omerovic, sollen es ähnlich viele, nämlich etwa 50, gewesen sein. Nach Angaben von Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, besteht zwischen den beiden Themenkomplexen trotz vieler Gemeinsamkeiten (Haupttatort Graz, viele Verdächtige stammen vom Westbalkan) kein unmittelbarer Zusammenhang. Auch die jüngste Festnahme des 17-jährigen Lorenz K., der – so der Verdacht – einen Bombenanschlag in Wien geplant haben soll, hat nach jetzigem Kenntnisstand einen anderen Hintergrund.
Dem heutigen Zugriff gingen seit 2015 streng vertrauliche Ermittlungen und Observationen voraus. Seit April 2016 befindet sich das Verfahren in seiner „Intensivphase“ (Pilnacek). „Presse“-Quellen zufolge gibt es jedoch auch nach den heutigen Verhaftungen „noch weitere Menschen im Hintergrund“. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, bei Gericht Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft zu stellen.
Immer wieder Graz
Das Ermittlungsverfahren erinnert sehr an die letzte vergleichbare Großaktion, die im Umfeld des Grazer Vereins Furkan und des Wiener Vereins Altun Alem stattgefunden hat. Damals, im November 2014, waren ebenfalls im Rahmen einer Großaktion in Graz, Wien und Linz einige Islamisten festgenommen worden. Im Zuge dieser „Operation Palmyra“ standen seinerzeit 900 Polizisten im Einsatz.
Als „Hauptideologe des globalen jihadistischen Islamismus“ (Zitat aus einem Beschluss des Grazer Straflandesgerichts) wurde damals auch der salafistische Prediger Mirsad Omerovic (35) in U-Haft genommen. Der Bosniake mit serbischem Pass war Islamlehrer und im Jahr 2014 gemeinsam mit seinen Glaubensbrüdern von Wien nach Graz gekommen, um Predigten zu halten und an Koranverteilungen teilzunehmen. Die Staatsanwaltschaft sieht ihn als jemanden, der IS-Kämpfer rekrutiert hat oder dies zumindest versucht hat.
Im Juli des Vorjahres ist er wegen versuchter Anstiftung zum terroristischen Mord zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Die Taten hätten laut Urteil in Syrien verübt werden sollen. Dem Vorwurf des vollendeten Terrormordes war das Gericht nicht gefolgt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Omerovic bekennt sich nicht schuldig. Er sieht sich als Verkünder des „wahren Islam“.