Tabu Tod: Hospize helfen Heimen

(c) APA (Harald Schneider)
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Der Dachverband der Palliativ- und Hospizeinrichtungen startet ein bundesweites Projekt, um Personal in Alten- und Pflegeheimen für die besonderen Anliegen sterbender Menschen zu sensibilisieren.

Wien (gr). Wer schon einmal durch ein Pflegeheim gegangen ist, kennt es, das betretene Schweigen von Betreuern und Betreuten, wenn ein Zimmer von einem Tag auf den anderen leer steht. Die Sprachlosigkeit, wenn nur noch ein frisch überzogenes Bett dort steht, wo zuvor ein Mensch die letzten Stunden seines Lebens zugebracht hat.

Das Sterben ist auch dort ein Tabuthema, wo es immer häufiger passiert: „In Pflege- und Altersheimen wird der Tod eines Menschen oft nur ganz versteckt abgehandelt und die Leiche dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Haus gebracht“, sagt Karl Bitschnau, Vizepräsident des Hospizverbandes Österreich.

Als Leiter der Vorarlberger Hospizbewegung hat Bitschnau in den vergangenen Jahren ein Projekt geleitet, das dem Personal in Pflege- und Altersheimen die Erfahrung im Umgang mit Sterbenden vermitteln soll – über die die Mitglieder der Hospizbewegung bereits verfügen.

Dazu gehören einerseits fachliche Kenntnisse – zum Beispiel aus der Palliativmedizin, die sich der Vermeidung von Schmerzen und anderen Beschwerden der Patienten verschrieben hat. Oder die Kenntnis, welche Diätpläne noch geeignet sind, wenn der Körper nach und nach zu versagen beginnt.

Über Sterben sprechen lernen

Herzstück des Projekts „Hospiz und Palliative Care in Alten- und Pflegeheimen“ ist aber, den Nimbus des Unaussprechlichen zu brechen, der sich um das Thema Tod dreht. „Es geht zunächst einmal darum, Begriffe für das Sterben zu finden, darüber zu reden“, sagt Bitschnau. In den vergangenen drei Jahren, in denen das Projekt in Vorarlberg getestet worden ist, sei die Zufriedenheit aller Beteiligten – Heimpersonal, Betreuer und Angehöriger – mit der Arbeit im Heim deutlich gestiegen.

Der Erfahrungsaustausch mit Mitarbeitern der Hospizbewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Sterbende in ihren letzten Stunden zu begleiten, soll alle Beteiligten in der Heimpflege sensibilisieren für die besonderen Bedürfnisse und Wünsche sterbender Menschen. Und dazu zählt eben auch, den Tod nicht zu verdrängen, sondern zu thematisieren, um einen würdigen Abschied zu ermöglichen. Das wird nicht zuletzt immer wichtiger, weil inzwischen jeder siebente Österreicher in einem Altenheim stirbt.

„Heimleiter aus Vorarlberg haben uns gesagt, dass sie jetzt viel strukturierter, organisierter an das Thema Sterben herangehen können“, sagt Sigrid Beyer, Projektleiterin im Hospizverband. Auch die Pfleger seien glücklich, wenn sie einen Leitfaden bekommen, wie sie mit Sterbenden umgehen können – wie die Richtlinien für Hospiz- und Palliativarbeit, die sie im Zuge des Projekts vermittelt bekommen.

„Oft sind es die kleinen Dinge, die wichtig sind“, stellt Waltraud Klasnic fest. Die ehemalige VP-Landeshauptfrau ist Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich. Bei sterbenden Menschen sei es wichtig, auf einige Details zu achten: Etwa, dass die meisten Menschen am liebsten zu Hause sterben wollen – und wenn das nicht möglich sei, sollte man etwa darauf verzichten, sie in ein eigenes Sterbezimmer zu verlegen.

Ab Dezember wird der Hospizverband mit Unterstützung aus dem Fonds Gesundes Österreich Führungspersönlichkeiten aus dem Heimpflegesektor in Seminaren vermitteln, worauf es bei sterbenden Menschen besonders zu achten gilt. Sie sollen als Multiplikatoren strukturelle Änderungen bewirken. Zusätzlich starten in acht niederösterreichischen Heimen noch Schulungen, in denen allen Mitarbeitern praktische Tipps im Umgang mit dem Tod gegeben werden.

Auf einen Blick

Der Dachverband der Palliativ- und Hospizeinrichtungen startet ein bundesweites Projekt, um Personal in Alten- und Pflegeheimen für die besonderen Anliegen sterbender Menschen zu sensibilisieren. Neben Fachkenntnissen soll in Kursen auch das Reden über den Tod thematisiert werden.

14,7Prozent der Österreicher sterben im Heim.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2009)

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