Als die Tiere aus der Luft verschwanden

Der Apollofalter (rechts) ist in Österreich stark bedroht.
Der Apollofalter (rechts) ist in Österreich stark bedroht.Science Photo Library / picturedesk.com
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Schmetterlinge, Bienen und Wiesenvögel: Die Zahl der Insekten und Vögel sinkt teilweise dramatisch. Verantwortlich ist unter anderem intensive Landwirtschaft, aber auch die Lichtverschmutzung.

Wien. Es wird leer am Horizont. Zuerst verschwinden die kleineren Tiere, also Schmetterlinge, Bienen und ganz generell Insekten. Dann folgen die etwas größeren wie Vögel oder Fledermäuse, warnen Umweltschutzorganisationen. Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von Global 2000, listet bei der Präsentation des neuen Schmetterlingsreports die „Top drei der Gefährder“ auf: die Intensivierung der Landwirtschaft inklusive Düngemittel- und Pestizideinsatz, die Bodenversiegelung und der Klimawandel.

Das alles führt nicht nur dazu, dass etwa die Schmetterlinge weniger werden. „Wenn Schmetterlinge sterben, geht auch die Vogelpopulation zurück, es gibt keine Fledermäuse mehr. Das ist ein Kreislauf“, sagt Schmetterlingsexperte Peter Huemer, der den Schmetterlingsreport erarbeitet hat.

Schmetterlinge

Bei den Schmetterlingen gibt es hierzulande eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Die Artenvielfalt ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hoch. Die schlechte: Mehr als die Hälfte der Schmetterlinge sind dennoch gefährdet. Huemer schätzt, dass rund fünf Prozent bereits ausgestorben sind. Das macht bei einer Vielfalt von 4070 nachgewiesenen Arten immerhin rund 200 ausgestorbene Arten. Niederösterreich hat übrigens mit 3511 Arten fast so viele wie ganz Deutschland (3600). In Wien wurden 2554 Schmetterlinsgarten beobachtet. Dass das noch lange so bleibt, ist aber alles andere als gesichert. „Selbst in Schutzgebieten sind Schmetterlinge bedroht“, sagt Gewessler. Arten wie das kälteliebende Wald-Wiesenvögelchen haben angesichts des Klimawandels „selbst in optimistischen Szenarien keine Überlebenschance.“

Bedroht sind vor allem Nachtfalter (nur rund 200 der 4070 Arten sind Tagfalter) und jene Schmetterlinge, die auf Wiesen leben. „Waldarten sind generell deutlich weniger bedroht als Wiesenarten“, sagt Huemer. Das hängt vor allem damit zusammen, dass artenreiche Wiesen (vor allem Trocken- und Halbtrockenrasen) immer weniger werden. Um eine Wiese und damit die in ihr lebende Artenvielfalt zu verändern, genügen schon einige wenige Düngungen. Ein Wald ist da wesentlich hartnäckiger.

Nachtfalter sind aber auch durch die Lichtverschmutzung stark bedroht. Bei einem beleuchteten Kriegerdenkmal in Süditalien wurden etwa die verendeten Schmetterlinge gezählt, erzählt Huemer. Es waren in einem Jahr sieben Millionen Schmetterlinge.

Bienen

Einer der jüngsten Fälle ist dramatisch. Im Kärntner Bezirk Wolfsberg soll zum falschen Zeitpunkt, während die Obstbäume schon blühten, ein Insektizid gespritzt worden sein. Auf einen Schlag dürfte das Millionen Bienen umgebracht haben. Mehr als 100 Bienenvölker waren davon offenbar betroffen. Üblicherweise geht das Bienensterben aber langsamer vor sich. Jedes Jahr kommt es zu Winterverlusten, die Zahl der Honigbienen sinkt also kontinuierlich. Seit zehn Jahren untersuchen Robert Brodschneider und Karl Crailsheim vom Institut für Zoologie der Universität Graz nun die Zahl der Winterverluste in Österreich, die höchste Verlustrate bei Bienenvölkern lag 2014/15 bei 28,4 Prozent, im Jahr darauf wurde mit acht Prozent der niedrigste Wert verzeichnet. Wird das Bienensterben meist mit Insektiziden in Verbindung gebracht, so liegt es tatsächlich zuletzt vielfach an der Varroamilbe bzw. am Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Die Milbe kann sich im milden Klima, vor allem der warmen frühen Winter, besser ausbreiten. Dazu kommen Viren und ein zu geringes Nahrungsangebot. Damit dürften etwa in Niederösterreich und Oberösterreich 40 bzw. 50 Prozent der Bienenvölker den Winter nicht überlebt haben, wie es von Imkerverbänden heißt.

Wiesenvögel

Es gibt immer weniger Vögel in Österreich, besonders verschwinden jene Arten, die auf Feldern und Wiesen leben – etwa Braunkehlchen, Wiedehopf oder Feldlerche. Die Zahl der Brutpaare von Vögeln in landwirtschaftlichen Gebieten ist in den vergangenen 30 Jahren um fast ein Drittel gesunken. Das geht aus den Daten von Birdlife Österreich hervor. Bei einzelnen Arten, etwa dem Braunkehlchen, ist der Rückgang dramatisch: 2004 wurde der Bestand auf rund 5500 Brutpaare geschätzt, aktuell auf nur mehr 950 bis 1500 Brutpaare – das entspricht einem Minus von fast 80 Prozent. Gábor Wichmann, Geschäftsführer von Birdlife, spricht von „Restvorkommen“ einer Art, die früher als Charaktervogel heimischer Kulturlandschaften galt.

Besonders dramatisch sei der Rückgang etwa in Oberösterreich. Das liege unter anderem an der intensiven Landwirtschaft, etwa daran, dass Altgrasstreifen oder andere Artenschutzmaßnahmen wie Förderungen für selteneres Mähen fehlen. Der Rückgang bei den Vögeln betrifft vor allem jene Arten, die auf freien Flächen leben. Auch Rebhühner gibt es beispielsweise weniger als noch vor 20 Jahren.

Rückgang vor allem am Land

Bei Vogelarten, die im Wald oder im Siedlungsgebiet leben, habe sich der Bestand relativ stabil entwickelt, so Wichmann. Wobei es bei allen Arten immer wieder Schwankungen gibt: Die Zahl der Spatzen, die sowohl in ländlichen als auch in Siedlungsgebieten brüten, sei relativ stabil. Schwalben, ebenfalls in beiden Lebensräumen, seien von den Rückgängen aber wohl betroffen. Minimale Rückgänge wurden auch bei Waldvogelarten registriert, aber die Zahl unterliege immer wieder Schwankungen. Auch in der Stadt sei der Vogelbestand stabil. „Wobei sich da die Frage stellt, ob das so bleibt: In deutschen Städten wurde durch mehr Verbauung und Verdichtung schon ein Rückgang registriert.“

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