Von Autos, so weiß wie Schnee und rot wie Blut

Schöner geht es kaum: Ein Porsche 356 A Speedster, Baujahr 1957. Ja, die Landschaft ist auch nicht schlecht.
Schöner geht es kaum: Ein Porsche 356 A Speedster, Baujahr 1957. Ja, die Landschaft ist auch nicht schlecht.(c) Martin Huber/Ennstal-Classic
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360 Grad Österreich: Zum 25. Mal findet heuer bereits die Ennstal-Classic statt. Sie ist mittlerweile eines der bedeutendsten Oldtimer-Treffen Europas, bei dem Autos im Millionenwert an den Start gehen. Doch um Geld geht es bei dem Rennen nicht.

Der unbedarfte Besucher von Gröbming dürfte sich ein wenig wundern: Auf der Ennstal Straße gleitet ein BMW 328, Baujahr 1939, dahin, vor dem Billa parkt ein Porsche 356 aus dem Jahr 1953 und bei der Eni-Tankstelle steht man hinter einem Austin Healey 3000 Mk I, gebaut 1959.

Für den Kenner dagegen ist sofort klar: die Ennstal-Classic findet wieder statt. Nirgendwo sonst in Europa, außer vielleicht noch bei der Mille Miglia in Italien, kommen so viele einzigartige Oldtimer zusammen, wie ein Mal im Jahr Ende Juli in der Steiermark.

Vor einigen Jahren hat einmal jemand den Wert der knapp über 200 Autos zusammengerechnet, die damals an dem Treffen teilnahmen, und kam auf 25 Millionen Euro. Vergangenes Jahr war es ein bisschen mehr, weil da auch ein Ferrari 250 GTO am Start war, von dem zwischen 1962 und 1964 nur 36 Stück gebaut wurden. Einer hatte kurz zuvor für unvorstellbare 52 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt.


Millionen Euro am Start. „Ach, wissen Sie, es ist ja nur theoretisches Geld“, meint ein Teilnehmer aus Deutschland, der mit einem Ferrari angereist ist. „Ich habe mir das Auto gekauft, weil es mir gefällt und ich es gern fahre. Würde ich es als Wertanlage sehen, müsste ich es in einen Tresor stellen.“

Seinen Namen möchte er eigentlich nicht in der Zeitung lesen und auch nicht den genauen Typ seines recht einzigartigen Autos. Beschreiben wir es so: Wenn auch heuer wieder der Wert der Fahrzeuge einen zweistelligen Millionenbetrag erreicht, dann trägt sein Ferrari ganz wesentlich dazu bei. „Ihre Leser sehen nur den Preis“, meint der Deutsche, „den Menschen hier geht es ums Auto.“

Bei „der Ennstal“, wie man die Ennstal-Classic gemeinhin nennt, geht es tatsächlich nicht um Namen und Preise und darum, wer das teuerste Auto fährt. Es geht um das Auto selbst, um seine Geschichte, darum, wer es einst gefahren hat und was es speziell macht, und mit wie viel Liebe zum Detail es restauriert wurde.

Man könnte beispielsweise mit Siegfried Wolf über viel plaudern. Etwa über seine Tätigkeit als erfolgreicher Verwaltungsratsvorsitzender von Russian Machines, über seine Freundschaft mit Russlands Präsident Wladimir Putin oder über die wahren Hintergründe für seinen wirtschaftlichen Rückzug beim Traktorenwerk XTZ in der Ukraine. Wenn man den steirischen Manager aber wirklich zum Reden bringen will, dann fragt man ihn am besten nach seinem Auto.

„Ja, das ist schon etwas Besonderes“, erklärt Wölf, während er in Gröbming mit einem Anti-Regen-Spray die Windschutzscheibe putzt. In einem Keller in Nischni Nowgorod, 400 Kilometer östlich von Moskau, fand er vor einigen Jahren völlig verrottete Exemplare des GAZ GL1 aus der Stalin-Ära. Nur zwölf Stück wurden zwischen 1938 und 1940 gebaut, der Rennwagen sollte es mit westlichen Fahrzeugen aufnehmen können. Zwei Jahre dauerte es, bis der GL1 mit seinen 3,5-Liter-Hubraum und den 101 PS wieder hergestellt war.

Heute ist er eines der Highlights der Ennstal, genauso wie ein Alfa Romeo Sport Zagato aus dem Jahr 1924, ein Bentley mit 4,5 Liter Hubraum (BJ 1929), der vom fünffachen Le-Mans-Sieger Derek Bell gefahren wird, oder ein Fiat 1100S, der bei der Mille Miglia 1948 dabei war.

Dass ausgerechnet Gröbming der Anziehungspunkt für Besitzer von einzigartigen Oldtimern ist, überrascht. Die 2900-Einwohner-Gemeinde hat – der Bürgermeister und Tourismusdirektor mögen es verzeihen – keine Besonderheiten zu bieten. Das Highlight ist schon die evangelische Pfarrkirche aus dem Jahr 1850, die älteste in der Steiermark. Aber die Gemeinde liegt schön und sie hatte mit Michael Glöckner einen umtriebigen Tourismuschef, der auch als Formel-1-Fotograf aktiv war. Bei einem Spaziergang 1992 in der Nähe der Grand-Prix-Rennstrecke im belgischen Spa klagte er dem Formel-1-Journalisten Helmut Zwickl sein Leid über die vielen Regulierungen und Beschränkungen im Rennsport. Man müsste, meinte er damals, Motorsport machen so wie früher.


Viel und wenig geändert. Mit seinem Enthusiasmus überzeugte Glöckner den gut vernetzten Zwickl. Es sollte eine Oldtimer-Rallye werden für Fahrzeuge bis Baujahr 1972 ohne Drehkreuze und Absperrungen, mit Fahrern zum Angreifen. „Dass es so groß wird, haben wir nie gedacht“, sagt er heute. Als man die Ennstal-Classic 1993 zum ersten Mal durchführte, gingen 35 Autos an den Start. Unter den Fahrern war der damalige Formel-1-Pilot Karl Wendlinger, Rallye-Pilot Franz Wittmann, Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz und der stets hilfsbereite Walter Röhrl, der die Rallye in seinem privaten Austin Healy gewann. Beim Rennen geht es übrigens nicht um die Geschwindigkeit, sondern um die Gleichmäßigkeit beim Fahren: Man muss bestimmte Streckenabschnitte mit einer vorgegebenen Durchschnittsgeschwindigkeit fahren, jede Abweichung um Zehntelsekunden bringt Strafpunkte.

Bei der heurigen 25. Auflage, die an diesem Wochenende zu Ende geht, hat sich viel und wenig geändert. Viel: Es gibt weit mehr als 300 Anmeldungen, 220 Autos werden von den Organisatoren ausgesucht, ihre Besitzer dürfen 2500 Euro Nenngeld zahlen und starten. Wenig: Auch heute noch gibt es kaum Absperrungen, freien Eintritt und Fahrer zum Angreifen.

„May I take a selfie with you“, fragt die verzückt dreinschauende Dame mit Handy. „Sure“, meint der Herr, und lächelt freundlich. Man muss Patrick Dempsey bewundern für die enorme Geduld, die er an diesem Abend auf Schloss Pichlarn zeigt. Etwa 500 Teilnehmer und Mitarbeiter der Ennstal haben sich zum traditionellen Auftaktempfang versammelt, und so gut wie jeder will ein Selfie mit dem Schauspieler haben, der durch die TV-Serie „Grey's Anatomy“ bekannt geworden ist und unter dem Spitznamen „McDreamy“ firmiert.

Dempsey lächelt hier, schüttelt da eine Hand, gibt dort ein Autogramm und beantwortet auch die hundertste, gleiche Frage eines TV-Teams, warum er denn hier sei, mit einer Freude und einer Begeisterung, als sei sie ihm zum ersten Mal gestellt worden: „Österreich ist einfach wunderschön, die Menschen sind unglaublich nett, ich liebe die Landschaft und die Möglichkeit, mit diesen wunderbaren Autos zu fahren.“ So geht Professionalität.

Mark Webber, der ehemalige Formel-1-Fahrer, hat sich da schon längst in ein Seitengebäude zurückgezogen, in das der Autohersteller Porsche exklusive Gäste eingeladen hat. Die Sportwagenfirma stellt jedes Jahr ihr bestes Familiensilber aus dem hauseigenen Museum für die Rallye zur Verfügung – einen Porsche 356 Speedster etwa, einen 550 Spyder oder auch einen Porsche 911 RS. Wolfgang Porsche, Enkel von Porsche-Gründer Ferdinand, ist auch heuer wieder dabei.

Die Autofirma kommt mit einer kleinen Armada von Experten, die sicherstellen, dass die Porsches beim ersten Drehen des Zündschlüssels anspringen. Denn bei den Oldtimern ist immer etwas kaputt, wie etwa beim Talbot 105 AV, Baujahr 1933. Michael Strauß und Jürgen Kornrumpf sind damit aus Deutschland angereist, nur um am Tag vor dem Start festzustellen, dass der Zylinderkopf kaputt ist. „Alles musste raus und alle Zylinder neu eingestellt werden“, erzählt Kornrumpf. „Ich bin den halben Tag von Werkstatt zu Werkstatt gefahren und habe überall Pfand eingesetzt und Werkzeug ausgeliehen.“

Nach zehn Stunden war das Auto repariert. „Aber jetzt ist wahrscheinlich die Wasserpumpe kaputt.“ Man habe sich schon überlegt, nach Hause zu fahren. Aber: „Wenn wir schon bei der Ennstal sind, dann starten wir auch. Es geht ja um den Spaß.“

Oldtimer Treffen

4. bis 5. August
Im Ötztal in Tirol findet die bereits 19. Ötztal Classic statt.

17. bis 19. August
In Waidhofen/Ybbs: Wachau-Eisenstraße Classic.

26. August
Vienna Classic Days in Wien mit Ringstraßenparade.

1. bis 3. September
Ferdinand Porsche Landpartie im Seenland in Salzburg.

16. bis 17. September
Grundlsee Vintage Klassik für alte Motorräder.

7. Oktober
Porsche Night Classic mit Start und Ziel in Brunn am Gebirge.

20. bis 22. Oktober
Oldtimer-Messe Classic Expo in Salzburg.

Die Ennstal

Das älteste Auto, das heuer an der Ennstal-Classic (gemeinhin schlicht „die Ennstal“ genannt) teilnahm, war ein Alfa Romeo Sport Zagato aus dem Jahr 1924.

Die PS-stärksten Autos waren ein Pontiac Star Chief mit 580 PS (BJ 1955) und der Shelby Cobra 427 mit 500 PS (1965).

Das schwächste Auto war ein Steyr 50 „Baby“ mit bescheidenen 22 PS. Gebaut wurde es 1937.

Die prominentesten Teilnehmer der Rallye waren neben Schauspieler Patrick Dempsey und Ex-Formel-1-Fahrer Mark Webber die Rallye-Legenden Walter Röhrl, Rauno Aaltonen, Franz Wittmann. Hans-Joachim Stuck war ebenso dabei wie Porsche-Enkel Wolfgang Porsche, Manager Siegfrid Wolf oder Vizekanzler Wolfgang Brandstetter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2017)

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