Studie: Kenntnis des Islam vor Radikalisierung vorhanden

Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Wien
Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Wien (c) Clemens Fabry (Presse)
  • Drucken

Die Annahme, dass Betroffene mehrheitlich über eine geringe Kenntnis der Religion verfügen, habe sich nicht bestätigt, heißt es in einer neuen Studie des Religionspädagogen Ednan Aslan.

Eine Studie des Religionspädagogen Ednan Aslan zur Radikalisierung Jugendlicher könnte erneut für Diskussionen sorgen: Die Annahme, dass Betroffene mehrheitlich über eine geringe Kenntnis der Religion verfügen, habe sich nicht bestätigt, heißt es darin. Der Großteil der Befragten stammte zudem aus einem gläubigen Elternhaus und hatte schon vor der Radikalisierung Kenntnisse über den Islam. In Auftrag gegeben wurde die Studie durch den Asyl-, Migrations-und Integrationsfonds (AMIF). Aufgrund einer parlamentarischen Anfrage der Neos veröffentlichte das Integrations- und Außenministerium nun den Link dazu (siehe unten). Aslan war zuletzt wegen einer polarisierenden Studie zu "Islam-Kindergärten" in die Schlagzeilen geraten, die von Beamten des Außenministeriums nachträglich bearbeitet worden sein soll.

Ziel der nun vorliegenden empirischen Studie ist die "Untersuchung der Rolle der Religion in islamistischen Radikalisierungsprozessen". Mittels Biografieforschung wurden im Frühling 2016 die Lebenswelten von Jugendlichen in Gefängnissen und Jugendeinrichtungen untersucht, die sich in unterschiedlichen Phasen der Radikalisierung befinden. Insgesamt wurden 29 narrativ-biografische Interviews durchgeführt, 15 der Gefangenen befanden sich aufgrund terroristischer Straftaten in Haft.

"Allgemein anerkannte klassische Werke" als Basis

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Interviewten in ihrem Radikalisierungsprozess aktiv mit Inhalten, Normen und Wertvorstellungen der islamischen Lehre auseinandersetzten, heißt es in der Studie. Ein Verständnis von islamischer Theologie, das als "Salafismus" bezeichnet wird, werde als "ganzheitliches, religiöses und gesellschaftspolitisches Konzept verstanden, das alle Bereiche des Lebens, von persönlichen Beziehungen über die staatliche Regierungsform, regelt".

Den salafistischen Ansichten liegen laut Studie "allgemein anerkannte klassische Werke der islamischen Lehre zugrunde". Die Betroffenen würden sich meist nicht isoliert radikalisieren, sondern in einem bereits extremistisch geprägten Umfeld. "Innerhalb des radikalen Milieus spielen bestimmte Moscheen, die eine Lehre verbreiten, die unausweichlich zum Salafismus führt, sowie religiöse Autoritäten eine zentrale Rolle."

Face-to-Face wichtiger als das Internet

Obwohl sich das radikale Milieu auch auf das Internet erstreckt stellen sich laut Studie Face-to-Face Beziehungen als wichtigerer Faktor heraus. Die Missionierungsarbeit sei zentraler Bestandteil des Umfelds, der niederschwellige Zugang in Verbindung mit der Anforderung der Missionierung mache die Mitglieder sowohl zu Trägern als auch Vermittlern dieser Theologie. Personen, die über ein höheres theologisches Wissen verfügen, fungieren laut Studie als "Autoritäten" mit zentraler Rolle.

Ein weiterer Faktor der Radikalisierung ist das Gefühl der Entfremdung. "Die radikalen Gruppen und Individuen sehen sich als die einzig wahren Muslime", heißt es in der Studie. Die Zugehörigkeit im Milieu ergebe sich stark über die Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft und anderen Muslimen sowie deren Abwertung. "Die soziale Umwelt wird als verkommen wahrgenommen. Hinzu kommen die Ablehnung der Demokratie und die Hervorhebung der Scharia als Gesellschaftsgrundlage."

Dieses Selbstbild der einzig wahren und rechtschaffenen Gläubigen führe schließlich zur Entfremdung von der restlichen Gesellschaft. Das damit einhergehende Gefühl des Fremdseins werde ideologisch instrumentalisiert. "Die Konstruktion des Westens als Feind der muslimischen Welt spielt eine zentrale Rolle für das Selbstverständnis der radikalisierten Personen", heißt es weiter.

>>> Link zur Studie

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentar

Kein Persilschein für Aslans Studie

Eine Studie braucht eine ausreichende Datenbasis.
Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien, Stephan Rixen, Leiter der Kommission der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) bei der Bekanntgabe des Prüfergebnisses
Wien

Kindergartenstudie: Kein Fehlverhalten, aber Einfluss des Ministeriums "außer Streit"

Die Studie des Islamwissenschaftlers Ednan Aslan wurde von der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität geprüft. Wissenschaftliches Fehlverhalten sehen die Prüfer nicht, ein Einfluss des Ministeriums stehe aber "außer Streit".
Wien

Aslan-Studie: Kurz fordert Entschuldigung von Kritikern

Außenminister sieht nach der externen Prüfung der Studie von Islamforscher Ednan Aslan zu Islamkindergärten in Wien die Korrektheit bestätigt, die Stadt Wien bekräftigt ihre Kritik.
Ednan Aslan
Wien

Islamstudie: Vorwürfe gegen Stadt Wien

Autor Aslan wirft der Stadt Wien Manipulation vor.
Archivbild: Ednan Aslan
Wien

Islam-Kindergärten: Ergebnis der Aslan-Studien-Prüfung erst nach Wahl

Die Kommission für wissenschaftliche Integrität hat ihre Arbeit bereits aufgenommen. Der Streit zwischen Studienautor Aslan und der Stadt Wien schwelt weiter.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.