Schlepperbande: Mitglieder gestehen

Nadelöhr für die der Schlepperei Angeklagten: Grenzübergang Ungarn-Österreich.
Nadelöhr für die der Schlepperei Angeklagten: Grenzübergang Ungarn-Österreich. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Als Mitglieder einer Bande, die circa 170 Menschen, großteils Syrer und Iraker, über die Balkanroute nach Österreich und Deutschland geschleust hatte, stehen fünf Syrer vor Gericht.

Wien. Zumindest teilweise haben sich am Montag fünf Syrien-Flüchtlinge vor Gericht schuldig bekannt. Laut Anklage sollen die Männer aus finanziellen Motiven für eine Schlepperorganisation gearbeitet haben (drei von ihnen beziehen monatlich 830 Euro Sozialhilfe). Die Angeklagten (sie haben Asylstatus) erklärten hingegen, bei den Schlepperfahrten kaum etwas verdient – bzw. überhaupt nur „Freundschaftsdienste“ geleistet zu haben. Der Prozess wegen teils gewerbsmäßiger Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ist vorerst für drei Verhandlungstage anberaumt.

Am Anfang stand eine unerwartete Rechtsfrage: Verärgert stellte Richterin Martina Spreitzer-Kropiunik vom Straflandesgericht Wien eine Frage in den Raum: „Kann ich über einen Dolmetscher eine Geldstrafe verhängen?“ Denn ausgerechnet der Mann, der im Gericht als einzig verfügbarer Kurdischdolmetscher gilt, war kurzfristig krank geworden, sein Fernbleiben aber bei Gericht nicht entschuldigt. Wenn auch die Frage nach der Geldstrafe unbeantwortet blieb, ließen sich immerhin zwei Arabisch-Dolmetscher eilig „auftreiben“, so konnten die Einvernahmen starten.

Die Angeklagten, darunter zwei Brüder, sind 22 bis 41 Jahre alt. Drei von ihnen wurden aus der U-Haft vorgeführt, zwei kamen auf freiem Fuß zum Prozess. Alle fünf Männer – einer hatte in Deutschland Asyl erhalten, hatte seine dort lebende Familie verlassen, um nach Österreich zu ziehen – waren 2014 selbst mithilfe von Schleppern aus dem Bürgerkriegsland Syrien geflohen.

Was ist eine „längere Reise“?

Bei den Schlepperfahrten sei laut Anklage meist eines der Bandenmitglieder als Aufklärer vorausgefahren, um das nachkommende Schlepper-Auto via Handy vor Polizeikontrollen zu warnen.

Immer scheint diese Vorgangsweise aber nicht geklappt zu haben. Der – an sich geständige – Zweitangeklagte H. gab an, bei einer Fahrt von einer 30 Kilometer vor der österreichischen Grenze liegenden Tankstelle in Ungarn nicht voran-, sondern nachgefahren zu sein. Im Verlauf der umständlichen Einvernahme von H. platzte der Richterin erneut der Kragen. Als H., ein 29-jähriger, früher in Syrien als Tankstellenpächter beschäftigter Mann, diese Fahrt als „längere Reise“ bezeichnete, fragte die Prozessleiterin: „Längere Reise? Das mach' ich in der Mittagspause. Sie waren doch nicht mit dem Maultier unterwegs.“

Die Verteidiger-Riege machte indes darauf aufmerksam, dass die Männer keine großen Gewinne gemacht hätten. Von einer kriminellen Vereinigung könne keine Rede sein. Anwältin Sonja Scheed: „Mein Mandant ließ sich von seinen Landsleuten hineinziehen. Sein Lohn bestand nur aus Kost und Logis in Österreich.“ Tatsächlich sind die Hintermänner nach wie vor auf freiem Fuß. Lediglich der Drittangeklagte (er arbeitete in Syrien als Taxifahrer) wird vom Erstangeklagten (er war Bankangestellter) in finanzieller Hinsicht schwer belastet. Demnach habe der Drittangeklagte sehr wohl nennenswerte Beträge kassiert.

Innerhalb der Organisation waren folgende Tarife üblich: Eine Schlepperfahrt von Syrien über die Türkei nach Deutschland oder Österreich kostete 4000 bis 6000 Euro. Kinder zahlten die Hälfte. Aufgeflogen war die Organisation, die insgesamt um die 170 Menschen transportiert haben soll, weil voriges Jahr ein für sieben Personen zugelassener Pkw mit nicht weniger als 20 Menschen aus dem Irak auf der Westautobahn bei Amstetten von der Polizei gestoppt worden war.

Sinkende Zahlen

Laut „Presse“-Recherchen sind die Verurteilungen wegen Schlepperei (§ 114 Fremdenpolizeigesetz) bundesweit gesunken: 2013 waren es 136, 2014 zählte man 246, 2015 schlug sich die Flüchtlingskrise zu Buche – mit 745 derartigen Gerichtsentscheidungen. 2016 gab es einen Rückgang: 303; in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres waren es 84 Verurteilungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2017)

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