Schluss mit "Rambo": Polizei lernt Menschenrechte

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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30.000 Polizisten lernen bis 2011 menschenrechts-konformen Einsatz des Gewaltmonopols und Umgang mit Randgruppen. Das Ministerium spricht von einem Paradigmenwechsel.

Wien. „Wenn das Vorhaben gelänge, wäre es die Spitze der Zivilisation.“ So bewertete ein prominenter Wiener Geschäftsmann mit Migrationshintergrund im Rahmen einer externen Begutachtung ein Projekt des Innenministeriums, das nicht weniger erreichen will, als die eigene Unternehmenskultur neu zu definieren. Hinter dem Vorhaben mit dem pathetischen Titel „Polizei.Macht.Menschen.Rechte“ steht der Plan, den gesamten Sicherheitsapparat mit seinen 30.000 Bediensteten für Menschenrechte zu sensibilisieren, den Umgang mit Randgruppen zu verbessern, dem missbräuchlichen Einsatz des Gewaltmonopols vorzubeugen und damit letztinstanzlich das Berufsbild des Polizisten nachhaltig und strukturell zu ändern.

„Was hier geschieht, ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel in der Polizeiarbeit“, glaubt Ressortchefin Maria Fekter. Die ersten konkreten Maßnahmen sollen bis 2011 umgesetzt sein. Darin enthalten sind u.a. folgende Punkte:
Personal: Bei der Auswahl des polizeilichen Nachwuchses wird verstärkt auf die ethnische, kulturelle und soziale Herkunft geachtet. So will das Ministerium gewährleisten, dass alle Bevölkerungsschichten auch innerhalb der Polizei repräsentiert sind.
•Ausbildung: Neben speziellen Bildungsprogrammen wird die Anwendung der vermittelten Inhalte (Wahrung der Menschenrechte) künftig auch überprüft. Der Menschenrechtsbereich bekommt bis Mai 2010 eine eigene Analysestelle, die einerseits Probleme erkennen, andererseits Polizisten bei ihrer täglichen Arbeit beraten soll.
Einsatzreflexion: Kommt es zu Verfehlungen oder Einsätzen, die für Polizisten belastend sind, werden diese künftig verpflichtend mit geschultem Personal nachbearbeitet. Ziel ist es, Frust (und damit weiteren Verfehlungen) vorzubeugen sowie Hilfe für Extremsituationen anzubieten.

„Gibt gewisse Schranken“

Basis für die Projektentwicklung war jenes Spannungsfeld, in dem sich Polizisten tagtäglich bewegen: Um die eigenen und die Menschenrechte der schutzbefohlenen Bürger zu wahren, ist es nötig, in die Rechte derer einzugreifen, die sie verletzten. „Polizisten sollen künftig das Rüstzeug dazu haben, die Macht, die ihnen das Gewaltmonopol verleiht, korrekt auszuüben“, sagt der Wiener Rechtsprofessor Alfred Zauner, der „Polizei.Macht.Menschen.Rechte“ gemeinsam mit dem stellvertretenden Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, leitet.

Kritik aus dem Inneren des Polizeiapparats will Fekter gleich vorab den Wind aus den Segeln nehmen. „Es wird bestimmt Stimmen geben, die sagen: ,Jetzt dürfen wir überhaupt nichts mehr.‘ Diesen Leuten sage ich, dass das nicht stimmt. Mit diesem Projekt machen wir aber klar, dass es bei der Ausübung des Gewaltmonopols auch gewisse Schranken gibt.“

Beratend begleitet wird das Projekt, das laut Kogler „ohne Ablaufdatum“ umgesetzt und gelebt werden soll, gleich von mehreren NGOs, die sich für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen. Darunter befinden sich unter anderem die Opferschutzorganisation Weißer Ring, die Caritas und Amnesty International (AI).

Der bekannt ministeriumskritische AI-Generalsekretär Heinz Patzelt ist es auch, der das papierene Konzept für das Projekt in den höchsten Tönen lobt. „Dieser Ansatz hat das Zeug zu einem menschenrechtlichen Meilenstein. Ich bin ehrlich beeindruckt.“ Grund zur Freude bestehe allerdings erst, wenn dieses „mutige Projekt“ auch umgesetzt werde.

Nicht Rambo, nicht Terminator

Ministerium und NGOs sind sich einig, dass das Vorhaben „nicht den Gummiknüppel verbieten soll“, weil dessen Einsatz in bestimmten Situationen natürlich nötig sei. Für Fekter geht es aber darum, insbesondere dem Nachwuchs zu vermitteln, dass der Polizeiberuf „nichts mit Rambo oder Terminator“ zu tun habe.

Besonders schwer werden es die Projektleiter bei der Umsetzung ihrer Ziele dort haben, wo der viel zitierte Korpsgeist zu falsch verstandener Solidarität unter Polizisten führt, die Verfehlungen begangen haben. Kogler warnt daher auch vor überzogenen Erwartungen. „Solche nachhaltigen Strukturänderungen brauchen ihre Zeit.“

Das Projekt

Polizei.Macht.Menschen.Rechte ist ein Projekt, das Einhaltung und Schutz der Menschenrechte im Rahmen der täglichen Polizeiarbeit fördern soll. Mittelfristiges Ziel ist es, das Thema Menschenrechte fest in der Ausbildung zu verankern. Die konkreten Maßnahmen dazu werden in einem Team erarbeitet, dem Vertreter von Polizei, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und NGOs angehören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2009)

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