Alte Apfelsorten im Glas

Christoph und Anna Mayer mit zwei ihrer drei Söhne, Bartholomäus und Albrecht (von links), im Apfelbaum.
Christoph und Anna Mayer mit zwei ihrer drei Söhne, Bartholomäus und Albrecht (von links), im Apfelbaum. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Familie Mayer produziert unter der Marke Wildfrucht sortenreinen Apfelsaft und trägt dadurch zum Erhalt alter Streuobstbestände im Waldviertel bei.

Sie heißen Chrysofsker, Bohnapfel, Schmidberger Renette, Kaiser Wilhelm, Gravensteiner oder Blauensteiner Spitzapfel. Und ihnen kommt langsam, aber sicher wieder jene Aufmerksamkeit zugute, die sie verdient haben. Die Rede ist von alten Apfelsorten, die – auch wegen des wachsenden Interesses an alkoholfreien Speisenbegleitern – wieder mehr geschätzt und kultiviert werden. So auch in der niederösterreichischen Gemeinde Jaidhof, wo Anna und Christoph Mayer unter dem Namen Wildfrucht an die 40 verschiedene alte Apfelsorten kultivieren und diese zu sortenreinem Apfelsaft verarbeiten.


Mit drei Buben aufs Land. „Ich komme ursprünglich aus der Industrie, war in der Unternehmensberatung und hab mir irgendwann gedacht, das ist ja total affig, was wir da machen, und überhaupt nicht nachhaltig. Also bin ich vor vier Jahren weggegangen, und der Apfelsaft ist uns passiert“, erzählt Christoph Mayer. „Na ja, passiert“, korrigiert ihn seine Frau: „Wir sind deswegen draufgekommen, weil die Arche Noah gesagt hat, dass es allein in der Gemeinde Jaidhof 170 verschiedene Apfelsorten gibt. Das ist unglaublich, da haben wir gesagt, da müssen wir etwas machen.“ Herr Mayer stammt aus dem südlichen Niederösterreich, seine Frau, eine Architektin, aus Wien. Irgendwann war der Wunsch da, aufs Land zu ziehen, auch wegen der Kinder. „100 Quadratmeter in Wien sind keine artgerechte Haltung für drei Buben“, sagt er. Und wie auf Kommando gesellt sich einer der drei Söhne dazu, stellt sich bei dem Besuch höflich als Bartholomäus vor und reicht die Hand. Kaum ist die Vorstellungsrunde vorbei, düst er schon wieder weiter. Dem Vater ruft er nur ein kurzes „'dere“ hinterher.

Nachdem die Familie also hierher gezogen ist, ist Mayer durch Zufall auf die alten Apfelsorten gestoßen. Er hat nämlich sein Büro (für das Bettengeschäft Guut, das er mit einem Partner gekauft hat) in der Forstverwaltung Jaidhof. „Und da war zufällig ein Herr von der Arche Noah in der Kaffeeküche, der von den Apfelsorten erzählt hat.“ Also haben er und seine Frau beschlossen, sich das genauer anzuschauen. Streuobstwiesen selbst besitzen sie nicht, aber sie kümmern sich nun um jene 200 Bäume, die der Forstverwaltung gehören. 2014 wurde der erste sortenreine Saft gepresst (damals noch im Wildpretraum der Forstverwaltung), ein Jahr darauf wurde die Marke Wildfrucht gegründet und 2016 ein Betriebsgebäude, das auch als Lohnpresse fungiert, gebaut. Mittlerweile sind auch die Obstgärten vom Schloss Greillenstein und Stift Altenberg sowie ein paar andere Flächen dazugekommen. „Wir sind sozusagen grundlose Bauern, für die Landwirtschaftskammer war das eine Katastrophe.“

Heute kümmern sich die Mayers um rund 500 Bäume an 20 Standorten im Umkreis von 20 Kilometern und arbeiten mittlerweile gemeinsam mit der Arche Noah an dem Streuobstprojekt. „Heute haben wir noch 20.000 Obstbäume in elf Gemeinden rund um Jaidhof.“ Verglichen mit Aufzeichnungen aus dem Jahr 1938 sind das nicht viele. „Damals gab es hier 190.000 Bäume. Wir haben heute also nur noch zwei von 19 Obstbäumen“, erklärt er auf dem Weg zur Schlossallee, auf der ebenfalls ein paar „seiner“ Bäume stehen. „Der typische Bestand ist aber der hofnahe Obstbau, also reine Versorgungsgärten.“ Daran sei auch Maria Theresa nicht ganz unbeteiligt. „Die wollte im 18. Jahrhundert den Weinbau schützen, also hat sie eine Importsteuer auf Wein erhoben, die Weinbaugrenze auf 150 Meter heruntergesetzt und den hoffernen Obstbau besteuert, weil der Wein damals vom Most Konkurrenz hatte.“ Bäume entlang von Alleen kamen deshalb nur im herrschaftlichen Besitz vor.


Vom Klar- zum Bohnapfel. Typisch für die Region ist auch die Sortenvielfalt, einerseits um Ertragsschwankungen auszugleichen, andererseits um die Saison zu verlängern. „Es geht los mit den ersten Klaräpfeln im August, weiter mit dem Gravensteiner Anfang September bis hin zu den Lageräpfeln, die bis ins Frühjahr halten.“ Der Bohnapfel sei ein besonders spätes Exemplar, der erst im November geerntet wird. „Da muss man bei der Ernte vorsichtig auf den Baum kraxeln. Wenn einem so ein gefrorener Apfel auf die Birne fällt, kann das ganz schön wehtun“, sagt Mayer. Manche Sorten sind trotz DNA-Analysen nur schwer zu bestimmen. „Äpfel verändern ihre Form ja auch, wenn der Baum geschnitten wird. Es dauert oft Jahre, bis man sie bestimmen kann.“ Bei manchen ist das bis heute nicht gelungen. Deshalb wurde eine Sorte einfach nach der GPS-Nummer benannt, die jeder Baum hat: 87.

Auf einen Blick

Familie Mayer produziert unter dem Namen Wildfrucht Apfelsaft aus alten Streuobstsorten, der in der Gastronomie und im Handel (Meinl am Graben, Pöhl am Naschmarkt) zu kaufen ist. Zusätzlich betreiben sie eine Lohnpresse, bei der Kunden ihre Äpfel (ab 100 kg) pressen lassen können: www.lohnpresse.atwww.wildfrucht.at, 3542 Jaidhof 30 Arche Noah Raritätenherbst
Am 1. Oktober werden in Schiltern in Kooperation mit der Streuobst-Initiative Kamptal auch Apfelsorten bestimmt (www.arche-noah.at).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2017)

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