Tödliche Infusion: Mehrere Fälle?

Schauplatz der tödlichen Verwechslung: Das Landeskrankenhaus Kirchdorf in Oberösterreich.
Schauplatz der tödlichen Verwechslung: Das Landeskrankenhaus Kirchdorf in Oberösterreich.(c) APA/WERNER KERSCHBAUM
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In Kirchdorf haben die Kontrollmechanismen im Spital versagt: Ein Pfleger verabreichte ein falsches Medikament. In weiteren drei Verdachtsfällen wird ermittelt.

Wien. Es war eine im Spitalalltag nicht ungewöhnliche Situation: Vergangenes Wochenende wurde ins Landeskrankenhaus im oberösterreichischen Kirchdorf ein 61-jähriger Mann nach einem Wanderausflug mit dem Notarzt und der Diagnose Vorhofflimmern eingeliefert. Der Arzt verordnete ihm neben anderen Medikamenten eine Infusion mit Kalium/Magnesium gegen Herzrhythmusstörungen. Das Medikament war aber in einer falschen Lade eingeordnet. Da der Pfleger dies nicht überprüfte, wurde dem Patienten stattdessen bei Blutwäschen eingesetzte Calciumchlorid-Magnesiumchlorid-Infusion verabreicht. Mit tragischen Folgen.

Nach der Infusion klagte der Patient über ein Brennen im Mund, an Gesicht und Händen, sein Herz raste. Man ging von einer allergischen Reaktion aus und setzte die Infusion ab. Nach der Entdeckung der Verwechslung wurden mehrere Maßnahmen gesetzt, doch der Zustand des Patienten verschlechterte sich zu einem Multiorganversagen. Der Patient wurde dann am Montag in das Wiener AKH geflogen, dort starb er am Dienstag auf einer Intensivstation.

Pfleger beurlaubt

Und es könnte nicht der einzige Verwechslungsfall gewesen sein: Nach Angaben der oberösterreichischen Spitalsverwaltung Gespag gibt es drei weitere, innerhalb einer Woche liegende Verdachtsfälle mit verabreichten falschen Infusionen. Einer der betroffenen Patienten starb ebenfalls, zwei weitere haben keine Folgeschäden. Der Pfleger, der die falsche Infusion verabreicht hatte, wurde bis zur Klärung des Vorfalls beurlaubt. Die Staatsanwaltschaft Steyr ermittelt wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung.

In Oberösterreich wurde bereits auf den Vorfall reagiert. So wird künftig in den oberösterreichischen Landeskrankenhäusern die Größe der Medikamentengebinde verändert, um sie besser unterscheiden zu können. Zugleich wurde massiv an das medizinische Personal appelliert, Sorgsamkeit walten zu lassen.

Aber wie verhält es sich generell damit in Spitälern? Wie oft kommen solche Fälle vor – und was macht man dagegen? Im Gesundheitsministerium will man abwarten. Man fordere eine rasche, genaue Aufklärung des Falles, ehe man über Konsequenzen reden will. In den Wiener Spitälern wird beruhigt. Es gebe mehrere genau standardisierte Kontrollebenen, um Fehlmedikationen zu verhindern. So versucht man etwa im AKH nach Angaben der Leiterin der Anstaltsapotheke, Martina Anditsch, bereits beim Einkauf zu verhindern, dass sich Präparate ähneln bzw. dass die Bezeichnungen von verschiedenen Arzneistoffen ähnlich klingen. Sich ähnelnde Präparate würden räumlich getrennt gelagert.

Beim Wiener Krankenanstaltenverbund, der für die städtischen Spitäler zuständig ist, wird nach genauen Standards und Richtlinien bei der Medikation und bei der Verabreichung vorgegangen. Mehrere Kontrollschritte seien dabei vorgesehen, heißt es beim KAV. Todesfälle durch schwere Behandlungsfehler in Krankenhäusern kommen nach Angaben der Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz sehr selten vor. Häufiger seien dagegen Komplikationen und weniger schwerwiegende Behandlungsfehler, etwa ein nicht erkannter Blinddarm.

„Fehler entstehen systemisiert“

Am konkreten Fall habe ihr nicht gefallen, „dass sich der ärztliche Direktor gleich am Pflegepersonal abputzt“, sagt Pilz. Er sei nämlich für das gesamte Krankenpersonal zuständig. Pilz: „Fehler entstehen meist systemisiert.“ Ein Medikament im falschen Regal deute auf einen Systemfehler hin. (gb, APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2017)

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