Tirol: Das Versteck der Lawinenschweine

(c) AP (Terry Prather)
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Wie Tierschützer die Ötztaler Versuchstiere retten wollen. Letztendlich sollen die Tiere "in Zweier- oder Dreiergruppen auf Tiroler Musterbauernhöfe verteilt und in Schweinegruppen integriert werden".

INNSBRUCK (ars). Im Schweinestall der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Rotholz, im Tiroler Unterland, sind dieser Tage prominente neue Untermieter eingezogen. Unter „strengster Geheimhaltung“ hat Tirols Paradetierschützerin Inge Welzig 13 Tiere zur vorübergehenden Pflege hier untergebracht. Nicht irgendwelche Säue. Es handelt sich um einen Teil der berühmten „Lawinenschweine“, die in den vergangenen Tagen für internationale Schlagzeilen gesorgt haben.

Sieben Ringelschwänzchen harren indes noch ihrer „Rettung“. Zur Vorgeschichte: Im Tiroler Ötztal sollten 29 Schweine im Dienste der Wissenschaft dem „weißen Tod“ anheimfallen. Wissenschaftler aus Österreich, Norwegen, Deutschland, Italien und den USA wollten den Beweis erbringen, dass Lawinenopfer mit freien Atemwegen und einer Atemhöhle in Zukunft nicht mehr für tot erklärt, sondern stattdessen wiedererwärmt werden müssen. Dies würde zu einem Paradigmenwechsel in der Therapie führen, zahlreiche Todesfälle könnten vermieden werden, so die Studienleiter. Zu diesem Zweck sollten 29Schweine in Vollnarkose versetzt und lebend unter Schnee begraben werden.

Der Versuch war bereits angelaufen, neun Schweine hatten ihr Leben gelassen, als die Medien das Thema aufgriffen. Der Aufschrei der tierliebenden Öffentlichkeit folgte prompt. Innerhalb von Stunden fanden sich erste Demonstranten im hinteren Ötztal ein, um der „Schweinerei“ ein Ende zu bereiten. Selbst die Politik, von den Grünen bis zur ÖVP, ergriff Partei für die armen Schweine.

Höhepunkt der Solidarität mit den Tieren: eine Bombendrohung gegen die Söldener Raika-Filiale, die Tierliebhaber fälschlicherweise als Sponsor des Experiments erkannt haben wollten.

Die Forscher sahen sich ob der Reaktionen gezwungen, das ordnungsgemäß angemeldete Experiment abzubrechen. Die Studienleiter äußern sich vorerst nicht mehr gegenüber Medien, um zu einer Beruhigung beizutragen. Zudem erhielten einige der beteiligten Wissenschaftler massive Gewaltdrohungen – sie haben Angst.

Keine Rettung, wenn Tier stirbt?

Inge Welzig zählt nicht zu den militanten Tierschützern. Doch auch sie ist froh, dass die Versuchsreihe abgebrochen werden musste: „Diese Wissenschaftler sind der Meinung, sie könnten Lawinenopfer retten. Ich war Skilehrerin und glaube das nicht.“ Die Einzigen, die Lawinenopfern helfen könnten, seien die Mannen der Bergrettung. Und für die Tierschützerin ist klar: „Sollte ich unter eine Lawine kommen, möchte ich nicht gerettet werden, wenn dafür ein Schwein sterben musste.“

Mittlerweile hat Inge Welzig 13 Schweine gekauft, die für die Versuchsreihe vorgesehen waren. Sie alle stammen vom Hof eines Mediziners aus der Gemeinde Rietz im Oberland. Eines der Tiere war bereits im Ötztal und hätte als Nächstes vergraben werden sollen. Die Restlichen führten bisher ungestört ihr Stallleben und waren lediglich als Versuchstiere vorgesehen. Welzig wollte sie dennoch „retten“ und plant auch, die noch verbliebenen sieben Tiere, über die noch verhandelt wird, „zum Marktpreis“ zu kaufen und nach Rotholz zu verbringen.

Letztendlich, so Welzig, sollen die Tiere „in Zweier- oder Dreiergruppen auf Tiroler Musterbauernhöfe verteilt und in Schweinegruppen integriert werden“. Ob und wie die Forschungsreihe weitergeführt werden kann, ist offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2010)

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