"Terror": Dubioser Vorwurf gegen Scheidungsväter-Aktivisten

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Die Polizei hat Aktivisten einvernommen, aber den Staatsanwalt nicht informiert. Verfassungs-Experte Funk kritisiert den Terrorparagrafen 278, der "sehr unbestimmt gehaltene Tatbestände" enthalte.

Wien. Immer dubioser wird das Vorgehen von Linzer Polizei und Staatsanwaltschaft gegen Aktivisten von Väterorganisationen. Wie „Die Presse“ am Samstag berichtete, haben mehrere führende Mitglieder von Vereinen, die sich für die Rechte von Scheidungsvätern einsetzen, von der Linzer Polizei eine Ladung zur Einvernahme als Beschuldigter erhalten. Die vorgeworfenen Delikte laut Ladung: die Paragrafen 246 und 278b. § 246 befasst sich mit der Gründung von staatsfeindlichen Organisationen, § 278b mit der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.

Warum genau den Aktivisten die Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe vorgeworfen wird, wissen sie auch nach ihrer Einvernahme nicht. Ihre Fragen wurde von den Kriminalisten nicht beantwortet. Und auch „Die Presse“ erhielt keine Auskunft: Die Sache sei bereits bei der Staatsanwaltschaft anhängig, diese sei allein für Presseauskünfte zuständig, hieß es im Linzer Landeskriminalamt.

Die Staatsanwaltschaft Linz will freilich nichts von einem Ermittlungsauftrag in Richtung Terrorismusverdacht wissen. „Was die Polizei konkret in eine Ladung hineinschreibt, ist nicht von Belang“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rainer Schopper, zur „Presse“. Entscheidend seien die Sachverhalte. Die Beschuldigten hätten ein „organisiertes und einschüchterndes Auftreten“ gegenüber ganzen Personengruppen gezeigt. Aufgabe der Ermittlungen sei es, mögliche Anhaltspunkte für strafbare Handlungen zu klären. Offenbar geht es dabei um Aktionen der Betroffenen gegen Familienrichter und Sachverständige.

Kritik an Staatsanwaltschaft

Der Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk kann diese Argumentation nicht nachvollziehen: Die Staatsanwaltschaft sei verantwortlich, sie sei Leiterin des kriminalpolizeilichen Verfahrens. „Der Staatsanwalt hat zu bestimmen, in welche Richtung ermittelt wird“, sagt Funk zur „Presse“.

Zum aktuellen Fall der Väteraktivisten will Funk mangels genauer Kenntnis der Fakten nichts sagen, ganz allgemein kritisiert er aber den Paragrafen 278, der die Mitgliedschaft in kriminellen und terroristischen Organisationen unter Strafe stellt. Der Paragraf beinhalte „sehr unbestimmt gehaltene Tatbestände“, die Regelung sei damit offen für eine „breite Anwendung“.

Anfang März startet in Wiener Neustadt der Prozess gegen 13 Tierschützer, die aufgrund des Paragrafen 278a – auch bekannt unter Mafiaparagraf – angeklagt sind. Funk und andere Rechtsexperten haben kritisiert, dass diese rechtlichen Bestimmungen nicht zur Verfolgung von Bürgerrechtsorganisationen geschaffen wurden.

Für die Väteraktivisten wirft sich nun die FPÖ in die Bresche. Der Abgeordnete Norbert Hofer will in einer parlamentarischen Anfrage an Justizministerin Claudia Bandion-Ortner wissen, welcher konkrete Verdacht den Ermittlungen zugrunde liegt.

AUF EINEN BLICK

Terrorermittlungen.
Die Linzer Polizei hat etliche Aktivisten von Väterorganisationen – diese setzen sich für die Rechte von Scheidungsvätern ein – als Beschuldigte vorgeladen. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer staatsfeindlichen bzw. terroristischen Organisation. Die Staatsanwaltschaft will keinen Auftrag für die Terrorermittlungen gegeben haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2010)

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