Google-Autos: Angst vor Voyeurismus und Kriminellen

(c) Reuters (Christian Charisius)
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Die Kameraautos von Google sind wieder gestartet. Und mit ihnen Diskussionen über Voyeurismus und Hilfe für Kriminelle. In der Praxis ist es mühsam, eine Löschung der Fotos zu erreichen.

LINZ/WIEN. Die Oberösterreicher sind ein wehrhaftes Volk. Das bekam der Fahrer eines Autos des Internetunternehmens Google zu spüren, als er in Steyregg bei Linz bei einem Gartenzaun vorbeifuhr – mit einer Kamera auf dem Dach, die aus drei Metern Höhe für den Internetdienst Google Street View direkt in den Garten eines Oberösterreichers hineinfotografierte.

Was danach passierte, darüber gehen die Versionen auseinander. „Ich glaube, der Bub hat sich ein bissl g'schreckt“, meinte der 70-Jährige, der mit einer Spitzhacke in der Hand dem 23-jährigen Fahrer eindringlich erklärt hatte, dass er nicht bei der Gartenarbeit fotografiert werden wolle. Der Fahrer dagegen sprach von einer Drohung; die Polizei konnte den Streit schlichten.

Der Vorfall ist bezeichnend für die Konflikte, die der Suchmaschinenanbieter Google ausgelöst hat, seitdem er mit Kameraautos Straßenzüge in europäischen und amerikanischen Städten fotografieren lässt (in ganz Österreich sollen etwa zehn Fahrzeuge unterwegs sein; die bisher angefertigten Fotos von Österreich wurden allerdings noch nicht online gestellt).

Der Streitpunkt: Die Bilder der Straßenzüge, durch die laut Google eine Weltreise vom Schreibtisch aus ermöglicht wird, sind im Internet für jeden abrufbar – inklusive der Menschen, die ins Visier der Google-Kamera kommen, in welchen Situationen auch immer sie sich gerade befinden. Datenschützer warnen, dass die Aufnahmen illegal und eine Hilfe für Einbrecher seien; der deutsche „Spiegel“ spricht von einem „Paradies der Gaffer und Spanner“. Die Konfliktpunkte:
•Ein Werkzeug für Einbrecher?
Durch die Bilder auf Google Street View können Kriminelle am PC in aller Ruhe Objekte ausspionieren, lautet ein Vorwurf. Laut Bundeskriminalamt (BK) ein durchaus realistisches Szenario – selbst wenn noch kein derartiger Fall bekannt wurde. „Es ist nicht auszuschließen, dass derartige Tools von den Kriminellen benutzt werden“, meint ein Ermittler zur „Presse“. Denn Einbrecherbanden würden ihre „Arbeit“ aufteilen; es gebe immer jemanden, der die Aufgabe habe, das Objekt auszuspionieren. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Kriminelle auf diese ,Hilfe‘ zurückgreifen“, so Datenschützer Hans Zeger. Bei einer Verknüpfung von Google Street View mit anderen Internetdiensten (Google Earth, Facebook etc.) könnte man sich als Einbrecher aber bereits heute sehr gut vorbereiten, so Zeger. Gerade ausländische Banden, die keine Ortskenntnisse in Wien besitzen, könnten sich so einen brauchbaren Überblick über die Stadt verschaffen.

Dass Kriminelle auf visuelle Hilfsmittel gerne zurückgreifen, zeigt, wenn auch in einfacherer Form, der Überfall auf ein Prater-Casino im Februar. Die Täter hatten vor dem Überfall einige Runden im Riesenrad gedreht, um von oben die Sicherheitsvorkehrungen und die besten Fluchtmöglichkeiten auszuspionieren.
•Ein Werkzeug für Spanner? Was Zeger am meisten stört: Die Kameras der Google-Autos sind in einer Höhe von drei Metern postiert und fotografieren damit über Hecken in Privatgärten, in Wohnungen, die im ersten Stock liegen etc. „Das ist absoluter Voyeurismus und ein Eingriff in die Grundrechte“, meint Zeger: „Wenn eine Familie im Garten FKK betreibt, der Garten durch eine Hecke geschützt ist, wird diese Familie nackt fotografiert, weil die Kamera in drei Meter Höhe ist.“
•Peinliche Situationen. Rechtlich kann man sich zwar bei einer Veröffentlichung der Bilder wehren – wenn ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre besteht. In der Praxis ist es laut Zeger allerdings mühsam, eine Löschung der Fotos zu erreichen. Und: Obwohl eine spezielle Software die Gesichter von Passanten unkenntlich machen soll, funktioniert das laut Zeger nicht immer gut: „Viele Menschen sind trotzdem eindeutig zu identifizieren.“ Oft in peinlichen Situationen: Ein Mann, der gerade ein Bordell betritt. Eine Frau beim Verrichten ihrer Notdurft auf der Toilette – in ihrer Wohnung im ersten Stock. Auch bekam Google Probleme, nachdem ein Kameraauto ein nacktes dreijähriges Kind in Großbritannien fotografierte und das Foto online gestellt wurde. In der Zwischenzeit gibt es laut Medienberichten bereits eine Internetcommunity, die systematisch peinliche Bilder sucht und tauscht.
•Andere Länder wehren sich. In Griechenland wurden die Kameraautos laut Zeger bereits verboten; ebenso wie (vereinzelt) in britischen und Schweizer Orten. Für Österreich hat allerdings Google bereits am 20.März 2009 bei der Datenschutzkommission die Genehmigung für die Street-View-Aufnahmen beantragt – und diese auch genehmigt bekommen.

Auf einen Blick

Die Kameraautos von Google. Derzeit sind wieder Fahrzeuge der Internetfirma Google unterwegs, um per Kamera Fotos von den Straßenzügen der österreichischen Städte anzufertigen – die Fotos sollen später über den Internetdienst Google Street View abrufbar sein und eine virtuelle Reise durch Wien für Internetbenutzer weltweit ermöglichen. Datenschützer kritisieren das aber als schweren Eingriff in die Privatsphäre und befürchten, dass Kriminelle diesen Internetdienst als Hilfe für Einbrüche benutzen könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2010)

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