Erbschaftsstreit: Norweger wollen Kapuzinergruft öffnen

Erbschaftsstreit Norweger wollen Kapuzinergruft
Erbschaftsstreit Norweger wollen Kapuzinergruft(c) APA (Barbara Gindl)
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Angebliche Habsburger-Nachfahren versuchen durch DNA Verwandtschaft zu beweisen. Mit der Causa vertraute Historiker beschreiben die Beweislage für den Wahrheitsgehalt der Geschichte als „sehr dünn“.

WIEN/LINZ. Es ist nicht der erste Versuch, die letzte Ruhe der Herrscherdynastie zu stören, erklärt der Kustos der Kapuzinergruft, Pater Gottfried, im Gespräch mit der „Presse“. Vor Kurzem waren es die angeblichen Nachfahren des unangepassten Habsburger-Sprosses Johann Salvator von Österreich-Toskana, die nach „Enterdigung“, also Exhumierung mutmaßlicher Verwandter in der Kaisergruft am Neuen Markt in Wien verlangten. Die beiden Norweger, die seit 2007 erfolglos ihr Recht auf das Schloss Ort am Traunsee beanspruchen, haben inzwischen einige Bekanntheit erlangt.

Johan Köhler-Nilsen, 82-jähriger Pensionist, und Henrik Danielsen, 25-jähriger Elektriker aus Bergen, erschienen erstmals im Sommer 2007 auf der Bildfläche der idyllischen Salzkammergut-Immobilie. Im Schlepptau hatten sie einen von ihnen engagierten Ahnenforscher und den Mythos rund um den 1890 bei einem Schiffsunglück am Kap Hoorn verschollen geglaubten Johann Salvator, genannt Johann Orth, der 1911 für tot erklärt wurde.

Der Legende nach soll das Enfant terrible der Habsburger – von seiner Ursprungsfamilie unbemerkt – in Norwegen unter dem Namen Hugo Köhler ein neues Leben begonnen haben. Erst auf dem Sterbebett, so die Version der mutmaßlichen Nachkommen, soll er seine wahre Identität preisgegeben haben. Mit der Causa vertraute Historiker beschreiben die Beweislage für den Wahrheitsgehalt der Geschichte als „sehr dünn“. Die Norweger seien nicht die Ersten, die versuchten, aus der Legende um Johann Orth Kapital zu schlagen. Was die beiden Männer nun brauchen, um in ihrer Angelegenheit weiterzukommen, ist die genetische Information der in der Kapuzinergruft bestatteten Eltern von Johann Orth. Um das Genmaterial mit jenem von Hugo Köhler, dessen Exhumierung in Norwegen bereits im vergangenen Jahr durchgeführt wurde, abzugleichen, benötigen sie also DNA aus der Kapuzinergruft. Bekommen werden sie diese wohl nicht.

Treffen mit Habsburg

Bei einem Treffen des Wiener Anwalts der Norweger mit dem Leiter der Kapuzinergruft und Michael Habsburg-Lothringen wurden die Fronten geklärt: Die Kapuziner, als Eigentümer der Bestattungsanlage für Bewilligungen dieser Art zuständig, werden, wie Pater Gottfried sagt, ihre „Zustimmung nur in Absprache mit Familie Habsburg geben“. Und die gibt es für angebliche Verwandtschaft wie Köhler-Nilsen und Danielsen eben nicht. Was beim Andrang um die Aufnahme in den Habsburger-Kreis nicht wundert: 50 bis 100 solcher Kandidaten sollen sich pro Jahr melden, berichtet Johann Habsburg-Lothringen aus Traunkirchen.

Das Schloss selbst, um das es in dem Erbschaftsstreit geht, gehört indes schon seit 1918, als die Besitztümer der Monarchie an die Republik übergingen, nicht mehr den Habsburgern. Aber auch Vertreter der Gemeinde Gmunden, seit 1996 Besitzerin der malerischen Touristenattraktion, die internationale Bekanntheit als Kulisse der Fernsehserie „Schlosshotel Orth“ erlangte, bleiben gelassen. Traunsee-Tourismusdirektor Andreas Murray, der mit den angeblichen Erben in Kontakt steht, beschwert sich jedenfalls nicht über die zusätzliche Aufmerksamkeit, die die Ferienregion seit den Aktivitäten der Norweger erhält: „Für uns ist es ganz gute PR. Sollte sich die Geschichte als wahr herausstellen, und käme es zu einer finanziellen Abgeltung für das Seeschloss, müsste unserer rechtlichen Auffassung außerdem die Republik dafür aufkommen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2010)

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