Wien „bewirbt“ neuen Straßenstrich

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In einem Feldversuch will die Stadt den Straßenstrich gezielt verlagern. Zwei Straßenzüge, die nicht in einer Schutzzone liegen, werden für die Straßenprostitution bestimmt und sogar „beworben“.

WIEN (tes). Es ist das immer gleiche Spiel, das Anrainern den Schlaf, die Nerven und meist auch ihr Sicherheitsgefühl raubt: Freier, die Runde um Runde drehen. Prostituierte, die von der Polizei vertrieben werden, weil sie in einer deklarierten Schutzzone stehen – und die am nächsten Tag schon wieder da sind. In einem Feldversuch im besonders geplagten 15.Bezirk (Rudolfsheim-Fünfhaus) will die Stadt Wien nun eine mögliche Lösung erproben – und den Prostituierten und Freiern dezidiert eine Alternative anbieten.

Zwei Straßenzüge, die nicht in einer Schutzzone (also im 150-Meter-Umkreis von Schulen, Kindergärten, Gotteshäusern und ähnlichem) liegen, werden für die Straßenprostitution bestimmt und sogar „beworben“. Konkret handelt es sich um einen Teil der Linken Wienzeile und die Linzer Straße hinter dem Technischen Museum. Ausgewählt wurden sie von der Bezirksvorstehung – mit Widerstand rechnet SP-Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal nicht: In beiden Straßen sei die Anrainerfrequenz gering. In der Linzer Straße wurde eigens ein Parkverbot ab 20Uhr verhängt, um den Freiern das Anhalten zu ermöglichen.

Von der Polizei wird der Versuch unterstützt. In den ersten Wochen werde man gezielt auf die neuen Ausweichstraßen hinweisen, sagt Peter Goldgruber, Leiter der Sicherheits- und Verkehrspolizei Wien. Um dann später die Verlagerung durch Strafen in den Schutzzonen zu unterstützen.

Hotline für Anrainer

Der Feldversuch, der nach der Sommersaison evaluiert werden soll, ist Teil eines Sieben-Punkte-Plans, mit dem die Stadt die Situation sowohl für Anrainer als auch die Prostituierten verbessern will. Mit dem Versuch wolle man testen, ob es überhaupt möglich sei, den Straßenstrich gezielt zu verlagern, sagt Frauenstadträtin Sandra Frauenberger. Ein weiterer Teil des Maßnahmenpakets ist ein neues „Beschwerdemanagement“: Das Projekt „Sophie mobil“ der Volkshilfe wird in den betroffenen Gebieten der Bezirke Leopoldstadt (2), Penzing (14) und Rudolfsheim-Fünfhaus zur Anlaufstelle für Anrainerbeschwerden. Streetworker sollen vermitteln, eine Hotline und Sprechstunden ergänzen das Angebot. Zusätzlich rückt die MA48 aus, um in der Nacht und in den Morgenstunden betroffene Gebiete zu reinigen.

Gleichzeitig wird im Hintergrund an einer Novellierung des Wiener Prostitutionsgesetzes gearbeitet – das allerdings erst nach Auswertung des Feldversuchs geändert werden soll. Vorgesehen ist eine Meldepflicht für Bordelle – das soll das Vorgehen gegen illegale Prostitution erleichtern. Im Zuge der Anmeldung sollen auch die zukünftigen Betreiber stärker unter die Lupe genommen werden. Gleichzeitig will man aber auch Freier in die Pflicht nehmen. So werden rechtliche Maßnahmen gegen Freier geprüft, die den Kontakt in Schutzzonen anbahnen. Auch eine Kondompflicht für Freier könnte laut Stadträtin den Weg ins Gesetz finden – ebenso wie das Verbot, Sex ohne Kondom anzubieten. Ein Verbot der Prostitution komme für sie indes nicht infrage: „Solange es Freier gibt, wird es auch Prostitution geben.“

Den Kampf ansagen will man stattdessen dem illegalen Frauenhandel. Ein neues Pilotprojekt des Vereins „Lefö“ bildet gezielt migrantische Prostituierte aus, die Zwangsprostituierte über Hilfsangebote informieren sollen.

Auf Kritik stößt das Paket bei den Grünen. Die Situation illegaler Sexarbeiterinnen werde nicht berücksichtigt, so Birgit Hebein, Klubobfrau der Grünen im 15.Bezirk. FPÖ und ÖVP sehen eigene Forderungen erfüllt, VP-Landesgeschäftsführer Norbert Walter fordert allerdings bereits eine Ausweitung des Feldversuchs auf das Stuwerviertel im zweiten Bezirk.

AUF EINEN BLICK

Prostitution ist in Wien grundsätzlich erlaubt, ausgenommen sind Schutz- und Verbotszonen. Die Polizei spricht von 600 ihr bekannten Bordellen. Straßenprostitution darf (im Sommer) zwischen 21 und vier Uhr stattfinden. Rund 1800 Frauen sind als Prostituierte registriert, die Dunkelziffer liegt bei bis zu 8000.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2010)

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