Wien entdeckt die Türkei

Istanbul boomt – Wien will davon profitieren: durch neue wirtschaftliche Kooperationen und türkische Touristen.

WIEN. Die Stadt Wien ist auf der Suche nach neuen Freunden und entdeckt dabei die Türkei. Während andere Länder von der Wirtschaftskrise voll getroffen werden, wird der Türkei heuer ein Wirtschaftswachstum zwischen 4,5 und acht Prozent prognostiziert – wobei speziell der Wirtschaftsraum Istanbul boomt.

Von diesem Aufstieg will Österreich, speziell die Wiener Firmen, durch Kooperationen profitieren: „Österreich zählt heute zu den wichtigsten Investoren in der Türkei“, erklärte Brigitte Jank, Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, die eben eine Handelsdelegation nach Istanbul anführte. Nachdem Jank ihrer Wirtschaftsorganisation das Thema „Türkei“ als einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt für 2010 vorgegeben hatte, verhandelten Wiener Firmen in den vergangenen Tagen mit türkischen Unternehmen über Kooperationen.

Hintergrund ist nicht nur die boomende türkische Wirtschaft. Istanbul ist ein Brückenkopf in die angrenzenden arabischen bzw. ehemals russischen Märkte, ebenso wie Wien ein wirtschaftliches Sprungbrett in die osteuropäischen Märkte ist, so Jank. Derzeit exportieren Wiener Unternehmen Produkte im Wert von 86 Millionen Euro jährlich in die Türkei, die als Zulieferer für Wiener Firmen beliebt ist (193 Millionen Euro an Importen).

Synonym für das wirtschaftliche Potenzial, das die Kulturhauptstadt 2010 auszeichnet, ist Do&Co. Das österreichische Catering-Unternehmen von Attila Dogudan hat vor fast vier Jahren eine Dependance in Istanbul gegründet, um im Bereich Flug-Catering weiter zu expandieren. Nun plant Dogudan den nächsten Schritt – nämlich den Bau eines der exklusivsten Nobelhotels der Metropole, direkt am Ufer des Bosporus. Ein Projekt, das Dogudan einige Nerven gekostet hat; wegen des türkischen Denkmalamts, das extrem strenge Auflagen für den Umbau des ehemaligen Palastes verordnet hat: „Wer über die Bürokratie in Wien schimpft, jammert auf extrem hohen Niveau“, so Dogudan zur „Presse“. Warum er weiter in Istanbul investiert? „Hier beginnt das Wachstum der Zukunft.“ Und in anderen Ländern sei es teilweise noch schwieriger.

Die Zeit, in der sich Wiener Firmen alleine auf den osteuropäischen Raum konzentriert haben, soll vorbei sein. Vor allem Unternehmen, die auf Zukunftsbranchen wie Umwelttechnik, erneuerbare Energien, Pharmaindustrie und Medizintechnik setzen, wollen sich auf dem „Hoffnungsmarkt Türkei“ positionieren.

Wohlhabende türkische Touristen

Die Türkei entwickelt sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch touristisch als Hoffnungsmarkt für Wien, wie es Vizebürgermeisterin Renate Brauner während einer Präsentation der Stadt Wien in Istanbul erklärte: „Die Türkei ist ein Zielmarkt für Wien. Von Jänner bis Mai ist die Zahl der türkischen Gäste um 35 Prozent gestiegen.“

Der Städtetourismus für wohlhabende Türken ist gerade erst im Entstehen – diesen Trend will Brauner forcieren, weshalb nun eine Werbekampagne für Wien in Istanbul gestartet wurde. Im Vordergrund stehen allerdings nicht nur klassische Themen. Neben dem imperialen Wien (Albertina, Spanische Hofreitschule) werden Museumsquartier und Life Ball als das moderne, weltoffene und tolerante Wien in dem von Brauner präsentierten Film promoted. Zu dieser Völkerverständigung gehört nun auch die 24-Stunden-U-Bahn an Wochenenden, die Teil der umstrittenen (von der SPÖ-Stadtregierung initiierten) Volksbefragung war, von der SPÖ ursprünglich abgelehnt wurde und nun in dem Wiener Werbefilm in der Türkei auftaucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2010)

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