Gerichtspsychiater Haller: "Öffentliche Hinrichtung"

Gerichtspsychiater Haller oeffentliche Hinrichtung
Gerichtspsychiater Haller oeffentliche Hinrichtung(c) Clemens Fabry
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Der Psychiater steht wegen angeblich fehlerhafter Gutachten unter Beschuss. Die Methoden Hallers seien nicht tragbar, so Kritiker. Es gehe nicht um sachliche Kritik, sondern um Rache, erwidert Haller.

Wien. Der renommierte Vorarlberger Gerichtsgutachter Rainhard Haller ist hörbar empört. „Das ist eine öffentliche Hinrichtung. Hier geht es nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, sondern darum, dem Haller eine reinzuhauen und sich damit einen Namen zu machen“, sagt er der „Presse“.

Der Grund für die Aufregung ist seit Anfang August in Zeitungen nachzulesen: Haller, Fachmann für spektakuläre Fällen, ist selbst zum Fall geworden. Die Vorwürfe lauten unter anderem: Haller arbeite mit veralteten Methoden und halte sich nicht an die Kriterien der WHO. Dazu wurde jüngst auch ein prominenter historischer Fall präsentiert: jener des NS-Arztes Heinrich Gross, der beim Prozess im Jahr 2000 für nicht vernehmungsfähig erklärt wurde, nachdem ihm Haller „fortgeschrittenen Hirnabbau“ bescheinigt hatte. Im Gespräch mit der Austria Presse Agentur kritisierte der klinische Psychologe Klaus Burtscher, dass das Gutachten nicht nachvollziehbar und mangelhaft sei. Unsinn, meint Haller: „Jeder weiß, dass meine Expertise von namhaften Kollegen bestätigt wurde, und denen zu unterstellen, sie hätten mit mir gemauschelt, ist unglaublich.“ Überhaupt verstehe er nicht, warum ein altes Gutachten plötzlich Thema sei.

„Das ist nicht tragbar“

Wobei: Eine Vermutung wird Haller schon haben. Denn Haller und Burtscher kennen einander. Anfang August verlor Haller gegen Burtscher einen Prozess. Haller hatte Burtscher geklagt, weil dieser im Interview mit der „Furche“ sein Gutachten im Fall Chmelir – es ging um die Gefährlichkeitsprognose eines inhaftierten Räubers – heftig kritisiert hatte. Haller verlor in erster Instanz. Seitdem darf man das Gutachten einen Kunstfehler nennen – zumindest bis zum Berufungsurteil. Haller kennt Burtscher aber auch aus anderem Zusammenhang: Burtscher ist öfter als Gutachter für Mandanten tätig, die sich an den GGGV, den Gerichtsgutachtengeschädigtenverband, wenden. Laut dessen Mitbegründer und Sprecher Helmut Schott, der die mutmaßlich Geschädigten als Anwalt vertritt, strengt man derzeit fünf Prozesse gegen Haller an – und ein weiterer aufsehenerregender ist in der Pipeline: die mögliche Wiederaufnahme des Salzburger Taximörder-Falls mit Hilfe von Burtscher. Tomi S. wurde 2007 als Raubmörder verurteilt, Haller war Gutachter.

Ebenfalls Gutachter war Haller in einer Schott betreffenden Erbschaftsangelegenheit im Jahr 2000, die damals zu dessen Nachteil ausging und in der Schott gegen Haller noch immer um Schadenersatz prozessiert. Seit dieser Erbschaftssache, sagt Haller, werde er verfolgt und verklagt. „Jede Geschichte hat einen Anfangspunkt“, gibt Schott zu. Es handle sich aber nicht um einen „Rachefeldzug“. „Weil meine Sache damals in den Medien war, haben sich einfach Geschädigte bei mir gemeldet“, sagt Schott. Deshalb habe man den GGGV gegründet, inzwischen gehe man auch gegen andere Gutachter vor. Auch Burtscher betont, dass es nicht um Haller speziell gehe, aber: „Wenn er glaubt, dass er sich über Mindeststandards hinwegsetzen darf, ist das nicht tragbar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2010)

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