Elsner-Anzeige nun Fall für Verfassungsgerichtshof

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Elsner(c) EPA (Roland Schlager)
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Das Landesgericht Leoben zieht vor den Verfassungsgerichtshof: ein Teil der Strafprozessordnung könnte verfassungswidrig sein. Bleibt abzuwarten, ob der Verfassungsgerichtshof die strittige Passage aufhebt.

Wien. Knalleffekt im Fall Helmut Elsner – nun könnte sogar der Gesetzgeber in Bedrängnis geraten: Im Mittelpunkt steht jene Anzeige, die der Ex-Bawag-Chef gegen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs eingebracht hat. Diese Anzeige war von der Oberstaatsanwaltschaft Graz an die Staatsanwaltschaft Leoben geschickt worden. So wurde auch das dortige Landesgericht zuständig. Dieses setzt sich zur Wehr. Und zieht vor den Verfassungsgerichtshof.

Teilen die Höchstrichter die „verfassungsrechtlichen Bedenken“ des couragiert auftretenden Landesgerichts Leoben, könnte dies bedeuten, dass sogar eine Passage der Strafprozessordnung (StPO) als verfassungswidrig aufgehoben wird. Nämlich § 36, Absatz 1 StPO, in dem festgesetzt ist, dass im Ermittlungsverfahren gerichtliche Entscheidungen jenem Landesgericht „obliegen“, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren führt.

Im Klartext: Hochrangige – wohlgemerkt der Justizministerin weisungsgebundene – Anklagebehörden können sich irgendwo in Österreich eine „passende“ Staatsanwaltschaft aussuchen – und damit verbunden auch gleich das zugehörige Gericht. Deshalb prangert nun das Landesgericht Leoben in einem Schreiben an die Höchstrichter diese „Willkür“ an. Im vorliegenden Fall ist die Sache besonders heikel, zumal sich die Generalprokuratur (die beim Obersten Gerichtshof eingerichtete höchste Anklagebehörde) sowie die Oberstaatsanwaltschaft Graz einen (Gerichts-)Sprengel für das Verfahren gegen ihre eigene „Chefin“, Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, aussuchen durften. Die Bundesverfassung sieht aber vor: „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“ Damit ist in der Regel das Gericht gemeint, in dessen örtliche Zuständigkeit die Strafsache fällt (Tatort-Gericht). Das wäre aufgrund der Elsner-Anzeige der Standort Wien gewesen. Und nicht Leoben.

Elsners Antrag brachte Stein ins Rollen

Wie konnte es soweit kommen? Nachdem Elsner im Bawag-Verfahren wegen Untreue und Betruges (nicht rechtskräftig) neuneinhalb Jahre Haft erhielt, rollte er den Fall auf eigene Faust neu auf und entschloss sich zu der besagten Strafanzeige gegen Bandion-Ortner: Die ehemalige Richterin im Bawag-Verfahren soll demnach den Mitangeklagten Wolfgang Flöttl im Prozess begünstigt haben. Gemäß der Elsner-Anzeige sollen auch Georg Krakow, der damalige Ankläger, nunmehr Kabinettschef im Justizressort, und die seinerzeitige Untersuchungsrichterin Gerda Krausam ihr Amt missbraucht haben. Alle drei weisen die Vorwürfe entschieden zurück. Auch die mit der Anzeige betraute Leobener Staatsanwältin Christina Jilek sah keinen Grund, die Sache weiterzuverfolgen – und stellte das Verfahren ein.

Elsner nahm dies nicht hin und brachte einen Antrag auf Fortführung des Verfahrens ein. Darüber müsste nun ein unabhängiges Gericht (eben Leoben) und nicht eine weisungsgebundene Anklagebehörde entscheiden. Nur sehen eben die Leobener Richter nicht ein, dass sie sich plötzlich mit dem Bawag-Skandal bzw. dessen gerichtlicher Aufarbeitung auseinanderzusetzen haben – nur weil die Oberstaatsanwaltschaft Graz den Fall nach Leoben transferiert hat.

Leoben sagt: Wenn man schon meinte, in Wien seien alle Richter befangen, dann hätte das Oberlandesgericht Wien (und nicht eine weisungsgebundene Anklagebehörde) einen anderen Sprengel aussuchen müssen. Bleibt abzuwarten, ob der Verfassungsgerichtshof die strittige Passage der Strafprozessordnung aufhebt. In dem Fall hätte ausgerechnet Helmut Elsner einen Beitrag zur Verbesserung der österreichischen Rechtskultur geleistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2010)

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