Rechnungshof: Polizisten zu selten auf der Straße

Rechnungshof Polizisten selten Strasse
Rechnungshof Polizisten selten Strasse(c) Clemens Faby
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Brisante Empfehlungen der Prüfer: In Wien sollten 73 der 96 Polizeiinspektionen gesperrt werden. Grund: Zu hohe Kosten, Beamte sitzen zu oft am Schreibtisch.

[WIEN/d.N./APA]Der Eindruck trügt nicht: Polizisten sind in Wien selten auf der Straße anzutreffen. In Zahlen: Sie verbringen mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit, genau sind es 59 Prozent, an den Schreibtischen. In München ist das Verhältnis umgekehrt: Dort sind Exekutivbeamte zu 69 Prozent im Außendienst tätig.

Diese Fakten hat der Rechnungshof für seinen Bericht über die Wiener Polizei erhoben, der am Freitag den Abgeordneten des Nationalrats zugestellt wurde. Und die Prüfer erheben eine weitgehende Forderung: In Wien sollten 73 der 96 Polizeiinspektionen geschlossen werden. In München gebe es für ein flächenmäßig doppelt so großes Einsatzgebiet lediglich 25 Polizeiinspektionen. Die Rechnungshof-Prüfer trocken: „Die dichte Dienststellenstruktur in Wien erforderte einen unverhältnismäßig hohen Aufwand für Leitungs- und Administrationsaufgaben.“ Und weiter heißt es in dem Bericht: „Durch die Schaffung größerer Dienststellen könnte der personelle Aufwand für Leitungs– und Führungsaufgaben reduziert und die dadurch frei werdenden Ressourcen unmittelbar im exekutiven Außendienst eingesetzt werden. Diese Maßnahme würde nicht nur die Voraussetzungen für ein rascheres polizeiliches Einschreiten schaffen, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung stärken, ausreichend geschützt zu sein.“ Konkret sollten nach den Vorstellungen der Rechnungshofbeamten Inspektionen zu einer zentralen Inspektion in jedem der 23 Bezirke zusammengeführt werden. Als eine Art Sofortmaßnahme wird empfohlen, nicht alle bestehenden Inspektionen nachts für Parteienverkehr geöffnet zu halten.

Der Vergleich der Polizeiarbeit in Wien und München zeigte auch, dass Aufgaben und Einsatz der Beamten in Bayern klarer geregelt sind. Ein Deliktskatalog lege fest, welche Amtshandlungen in die Zuständigkeit des Landeskriminalamtes (LKA) fallen. In Wien fehlt ein solcher. Das Landeskriminalamt entscheidet im Einzelfall, wer eine polizeiliche Amtshandlung durchführen soll. Laut Rechnungshof sollten von Polizeiinspektionen auch nur ausgewählte Strafrechtsdelikte bearbeitet werden.

So wurden in Wien etwa zwei Drittel der Einbruchsdiebstähle von Beamten in den Polizeiinspektionen bearbeitet – und nicht von den darauf eigentlich spezialisierten Bediensteten des Landeskriminalamtes. Dadurch würden die Polizisten der Inspektionen wiederum bei der Streifentätigkeit zur Verhinderung der Einbruchskriminalität fehlen.

Die Prüfer bemängelten außerdem, dass der Personalstand zwischen den Jahren 2006 und 2010 zwar um 159 Mann aufgestockt wurde, heuer aber um 17Prozent weniger Exekutivbeamte (706) für den Dienst in Wien zur Verfügung standen, als vom Ministerium festgelegt. Auch die mehr als eine Million im vergangenen Jahr geleisteten Überstunden würden auf Personalmangel schließen lassen.

Geistig abnorme Täter im Spital

Missstände orte der Rechnungshof auch im Strafvollzug geistig abnormer Täter. Demnach verfügt das Justizministerium weder über eine schriftlich niedergelegte Strategie noch über ausreichende Messungen des Erfolgs von Maßnahmen. Weil die speziellen Justizanstalten überbelegt sind, werden geistig abnorme Straftäter mit Gesunden im Normalvollzug oder in psychiatrischen Krankenhäusern angehalten. Dies widerspricht dem Gesetz – und lässt Kosten explodieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2010)

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