Alkohol am Arbeitsplatz: Unternehmen steuern gegen

Alkohol Arbeitsplatz Unternehmen steuern
Alkohol Arbeitsplatz Unternehmen steuern(c) Michaela Bruckberger
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Jeder Zehnte trinkt heimlich im Büro. Worüber die Betriebe früher schwiegen, wird – auch aus Kostengründen – immer häufiger angesprochen. Die Nachfrage nach Frühintervention steigt.

[Wien]Herr R. denkt an die Vergangenheit und schüttelt den Kopf. Früher einmal, vor einem Jahr also, war er Teamleiter in der österreichischen Entwicklungsabteilung eines bekannten Maschinenbauers aus den USA. Heute schläft er im Obdachlosenasyl. R.'s Hang zum Alkohol kostete ihn den hoch dotierten Job. Lange drückten Kollegen und Vorgesetzte alle Augen zu, niemand sprach darüber. Bis es schließlich nicht mehr ging, und der hoch qualifizierte Mittvierziger die Kündigung erhielt.

Eine Lösung, die letztlich allen Beteiligten schadete. Weil Suchtverhalten im modernen Arbeitsalltag aber eine zunehmend größere Rolle spielt, steuern immer mehr Unternehmen dagegen. „Die Nachfrage nach Programmen für Frühintervention und Prävention steigt“, sagt Martin Weber vom Wiener Verein „Dialog“, der Unternehmern konkrete Hilfeleistungen bei Alkhol- und Drogenproblemen im Betrieb anbietet. Die am häufigsten gestellte Frage, mit der sich Arbeitgeber an ihn wenden, lautet: „Wie spreche ich am besten einen Mitarbeiter an, der regelmäßig mit einer Fahne im Büro erscheint?“

Trend: Leistungssteigerung

Der Hintergedanke dabei ist meistens nicht nur sozialer, sondern wirtschaftlicher Natur. Arbeitnehmer die trinken, spritzen oder schnupfen, kosten massiv Geld wegen geringerer Produktivität. Versicherungen gehen von bundesweiten Schäden von jährlich drei Milliarden Euro aus. Hinzu kommen die Gefährdung weiterer Mitarbeiter durch Alkoholisierte sowie der Verlust wertvoller Mitarbeiter wie im Fall von R., mit dem unwiederbringlich auch ein Teil des firmeneigenen Know-hows verloren ging. Das Einnehmen illegaler Drogen geschieht in der Firma meist verdeckt und ist für Laien schwer erkennbar. Die Volksdroge Alkohol konsumieren laut Studien zehn Prozent täglich am Arbeitsplatz. Jeder Dritte erscheint wenigstens ab und zu verkatert im Büro. 15Prozent kamen schon einmal betrunken. Und: „Der Konsum von leistungssteigernden Substanzen am Arbeitsplatz ist ein neuer Trend, dem wir uns stellen müssen“, sagt Artur Schroers, Leiter des Wiener Instituts für Suchtprävention.

Früherkennung „rechnet“ sich

Ursache dafür seien die in den vergangenen Jahren zusehends gestiegenen Anforderungen an Arbeitnehmer. Durch Mobilfunktechnologien wie das Blackberry-System würden Privat- und Arbeitsleben zusehends verschmelzen, der Druck der immerwährenden Erreichbarkeit zunehmen. Eine These, die auch Reinhard Fuchs, Berater der Management School St.Gallen, vertritt.

Insbesondere große Unternehmen bemühen sich zusehends, mit gefährdeten Mitarbeitern möglichst in der Frühphase der Suchterkrankung ins Gespräch zu kommen. Laut Experten ist so die Chance am größten, die Betroffenen noch aufzufangen. Die Bahn Division der Voestalpine etwa wandte sich 2006 wegen offenkundiger Alkoholprobleme von Mitarbeitern an Bluemonday Gesundheitsmanagement, das eine Art Handbuch für Führungskräfte im Umgang mit gefährdeten Arbeitnehmern entwickelte. Laut Geschäftsführerin Barbara Supp eine Investition, die sich nach drei Jahren für die Voestalpine rechnete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2010)

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