Wer tötete Umar Israilow?

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Der Prozess soll nun die Hintergründe klären. Für den 23. November ist Dick Marty als Zeuge geladen. Er ist Mitglied der OSZE-Kommission für Menschenrechte.

Wien. Am Dienstag startet im Wiener Straflandesgericht der Geschworenenprozess um den Mord an dem tschetschenischen Flüchtling Umar Israilow. Der 27-Jährige wurde am 13. Jänner 2009 in Wien-Floridsdorf auf offener Straße erschossen. Angeklagt sind Otto K. (42), ein in St. Pölten wohnender, aus Tschetschenien stammender Versicherungsmakler, als „Koordinator“; Suleyman D. (36) als vorbereitender Helfer und Turpal Y. (31) als einer der beiden Männer, die an der tödlich endenden Verfolgung des Opfers teilgenommen hatten. Der mutmaßliche Schütze selbst, Letscha B., ist untergetaucht.

Das Gericht – den Vorsitz führt Friedrich Forsthuber, der Präsident des Hauses – hat sich in dem bis 26. November anberaumten Verfahren viel vorgenommen. Die möglichen politischen Hintergründe der Bluttat sollen beleuchtet werden. Dafür sind Menschenrechtsexperten als Sachverständige geladen, um den Geschworenen die politische Situation in Tschetschenien nahezubringen.

Der Präsident als Auftraggeber?

Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) sieht in Tschetscheniens Präsidenten Ramzan Kadyrow den Drahtzieher des Komplotts, wobei die Ermittler in ihrem Abschlussbericht einen „definitiven Tötungsauftrag“ vom Juni 2008 erwähnen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zwar gegen Kadyrow, gibt aber an, zu wenig belastendes Material für einen internationalen Haftbefehl zu haben.

Laut Anklage sah der Plan vor, Israilow gewaltsam nach Tschetschenien zu verbringen, nachdem dieser gegen Kadyrow ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in die Wege geleitet hatte. Der nunmehrige Angeklagte K. sollte dies in die Wege leiten. Laut Anklage steht K. „im Ruf, ein Anhänger des tschetschenischen Präsidenten zu sein“. Für den Fall, dass diese „Überlieferung an eine ausländische Macht“ scheitern würde, soll K. den Auftrag erteilt haben, Israilow zu töten.

Für den 23. November ist Dick Marty als Zeuge geladen. Er ist Mitglied der OSZE-Kommission für Menschenrechte und hat mit Berichten über illegale Aktivitäten der CIA in Europa – etwa das Betreiben von Geheimgefängnissen – für Aufsehen gesorgt. Nun soll er zur menschenrechtlichen Situation in Tschetschenien sprechen. Zum selben Thema sind am 25. November der frühere britische Europa-Parlamentarier Lord Frank Judd und die auf den nördlichen Kaukasus spezialisierte Politologin Aude Merlin geladen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2010)

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